Full text: Der kleine Lord

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ihn bereits Wurzeln geschlagen hatten, davon hatte er vorher 
eigentlich doch selbst keine Ahnung gehabt, und nie waren 
ihm die Schönheit und die Frische des Kindes und all' seine 
glücklichen Gaben so leuchtend vor Augen betreten. Dieser 
eigenwilligen Natur erschien es als ein Ding der Unmög 
lichkeit, aufgeben zu sollen, woran er sein Herz gehängt 
hatte, und er war entschlossen, es sich wenigstens nicht leichten 
Kaufes entreißen zu lassen. 
Wenige Tage, nachdem sie Mr. Havisham aufgesucht 
hatte, fand sich die Frau, welche die Rechte einer Lady 
Fauntleroy für sich in Anspruch nahm, im Schlosse ein und 
zwar in Begleitung ihres Kindes. Sie wurde nicht ange 
nommen. Mylord habe die Sache vollständig seinem Anwalt 
übertragen und wünsche nicht, in persönlichen Verkehr mit 
ihr zu treten, lautete der Bescheid, den Mr. Thomas mit 
Hoheit und Würde erteilte. Den Eindruck, den die Unbe 
kannte auf ihn gemacht, gab er im Dienerschaftssaal rück 
haltlos zum besten. Er hoffe, lange genug Livree in vor 
nehmen Häusern getragen zu haben, sagte er, um zu wissen, 
was eine Dame sei und was nicht, und wenn dies eine Dame 
sei, so könne er Katze und Maus nicht unterscheiden. 
„Die draußen in Court Lodge," setzte er selbstbewußt 
hinzu, „Amerikanerin hin oder her, die ist eine vom rechten 
Schlag — das sieht jeder Gebildete auf den ersten Blick. 
Ich hab's zu Henry gesagt, als wir den ersten Besuch dort 
machten." 
Die Frau war fortgefahren — das hübsche, gewöhnliche 
Gesicht halb zornig, halb furchtsam. Im Verlaufe der ver 
schiedenen Unterredungen, die er mit ihr haben mußte, war 
Mr. Havisham zu der Ansicht gelangt, daß sie, wohl leiden 
schaftlich und frech, jedoch lange nicht so klug und ausdauernd 
und mutig war, als sie glaubte. Es gab Augenblicke, in 
denen die Lage, in die sie sich gebracht hatte, ihr über den 
Kopf zu wachsen schien, und offenbar hatte sie sich keine 
Vorstellung davon gemacht, auf welch ernsten Widerstand ihre 
Ansprüche stoßen würden. 
„Sie ist entschieden aus den niedersten Regionen des 
Lebens," bemerkte der Anwalt gegen Mrs. Errol. „Ohne 
alle Erziehung weder durch die Schule noch durch das Leben, 
ist sie durchaus nicht gewöhnt, mit Leuten wie wir auf 
gleichem Fuße zu verkehren, und weiß sich dabei in keiner 
Weise zu benehmen. Der vergebliche Besuch im Schlosse hat
	        
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