Full text: Der kleine Lord

In großer innerer Unruhe setzte er sein Gespräch mit 
Mrs. Erröt fort, bis das Kind kam, und als die Thür auf 
ging , scheute Mr. Havisham sich förmlich, einen Blick cuif 
Cedrik zu werfen. Für viele Leute, die den trefflichen Mann 
im Leben lange kannten, wäre es äußerst interessant gewesen, 
zu beobachten, was in ihm vorging, als er den Jungen auf 
seine Mutter zueilen sah —- der Umschlag in seinen Gefühlen 
war derart, daß er ihn förmlich erschütterte. Im ersten Augen- 
blick erkannte er, daß der kleine Geselle hübscher und vor 
nehmer war, als er je einen gesehen, und dabei hatte seine 
Erscheinung etwas ganz Eigenartiges. Die kleine Gestalt war 
voll Anmut, Kraft und Energie; sein Köpfchen trug er hoch, 
und in der ganzen Haltung lag eine gewisse Tapferkeit; sei 
nem Vater sah er überraschend ähnlich; von ihm hatte er 
das goldne Lockenhaar, von der Mutter die großen braunen 
Augen, nur daß in den seinigen auch kein Schimmer von 
Schüchternheit oder Trauer lag, sondern sie so unschuldig 
und unerschrocken in die Welt hineinschauten, als sollte ihr 
Träger Furcht und Sorge nie kennen lernen. 
„Der hübscheste kleine Bursche, den ich je gesehen habe, 
und Rasse hat der Junge/' dachte Mr. Havisham bei sich, 
während er nichts verlauten ließ als die Worte: „Also das 
ist der kleine Lord Fauntleroy?" 
. Und je häufiger er diesen Lord Fauntleroy sah und um 
sich hatte, desto mehr steigerte sich sein Erstaunen; er hatte 
zwar in England reichlich Gelegenheit gehabt, Kinder zu sehen, 
hübsche, rosige kleine Mädchen und Knaben, die von Er 
zieherinnen und Hauslehrern korrekt am Gängelbande geführt 
wurden und die zum Teil scheu und schüchtern, zum Teil sehr 
geräuschvoll und zudringlich waren, allein großes Interesse 
hatten sie alle dem förmlichen, ernsthaften Advokaten nicht 
abgewonnen, und so hatte er in Wirklichkeit sehr wenig Er 
fahrung in Bezug auf kleine Leute. Vielleicht machte ihn 
sein persönliches Interesse an Lord Fauntlerops Geschick mehr 
zur Beobachtung geneigt; aber wie dein auch sei, er fand sehr 
viel Bemerkenswertes an dem Knaben. 
Cedrik hatte keine Ahnung davon, daß er ein Gegenstand 
der Beobachtung war, und gab sich ganz wie immer. Mit 
seiner gewöhnlichen Herzlichkeit streckte er Mr. Havisham sein 
Händchen hin, als er ihm vorgestellt wurde, und antwortete 
auf alle Fragen mit der nämlichen Freimütigkeit und Unbe 
fangenheit, die in seinem Verkehr mit Mr. Hobbs herrschten.
	        
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