Full text: Der kleine Lord

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fuhren an und setzten Passagiere ab, Reisende gerieten in 
Verzweiflung über ihr Gepäck, das noch nicht da war und 
möglicherweise zu spät kam, Reisekoffer und Kisten wurden 
hin und her gezerrt und geschleppt, Matrosen rollten Taue 
aus und eilten ab und zu, Befehle wurden erteilt, Damen 
und Herren, Kinder und Kinderfrauen kamen an Bord, die 
einen lachend und fröhlich, die andern still und gedrückt, ein 
zelne mit Thränen in den Augen. Ueberall entdeckte Cedrik 
etwas Interessantes', die Berge von Tauen, die aufgerollten 
Segel, die in den blauen Himmel hineinragenden Masten, 
alles fesselte seine Aufmerksamkeit, und er nahm sich fest vor, 
mit den Matrosen Freundschaft zu schließen und womöglich 
Näheres über Seeräuber zu erfahren. 
Gerade iin allerletzten Augenblicke — Cedrik stand am Ge 
länder des oberen Deckes, beobachtete die Zeichen zur Ab 
fahrt und erfreute sich an den Zurufen der Matrosen und der 
Leute auf dem Damme — bemerkte er in einer wenige Schritte 
von ihm entfernten Gruppe einen kleinen Kampf. Jemand 
drängte sich mit Gewalt durch und zwar in seiner Richtung, 
cS war ein Junge, der etwas Rotes in der Hand hielt — 
Dick! Ganz atemlos gelangte er endlich in Cedriks Nähe. 
„Bin ich gelaufen," keuchte er, „wollte dich doch ab 
fahren sehen. Geschäft ist prima. Von dem, was ich gestern 
gemacht, hab' ich das für dich gekauft, kannst's brauchen, wenn 
du unter die feinen Leute kommst. Das Papier habe ich ver 
loren im Gedränge, die Kerls wollten mich nicht 'rauf lassen. 
'S ist ein Taschentuch." 
In einem Atemzuge stieß er den Satz heraus, und ehe 
Cedrik Zeit hatte, etwas zu erwidern, erklang das letzte Zeichen, 
und mit einem gewaltigen Satze flog Dick davon. 
„Leb wohl!" rief er noch. „Trag's, wenn du zu den 
Vornehmen kommst!" und damit war er verschwunden. 
Ein paar Sekunden darauf sah man ihn sich auf dem 
unteren Decke durch die Leute drängen und in dem Augenblicke, 
ehe die Planke weggezogen ward, sprang er ans Ufer und 
schwenkte seine Mütze. 
Cedrik hielt sein hochrotes, seidenes Tuch, das mit un 
geheuern dunkelblauen Hufeisen und Pferdeköpfen geschmückt 
mar, in der Hand. Allgemeines Durcheinandcrrennen und 
großer Tuinult entstand. Vom Dampfer hinüber und her 
über von den am Ufer Stehenden klangen die Rufe: „Leb 
wohl, altes Haus! Leb wohl! Leb wohl! Vergiß uns nicht.
	        
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