Full text: Der kleine Lord

gelassen/ ja und dann hab'ich gesagt: ,Kein hübscherer Junge 
hat je Schuhe zerrissen, solange die Welt steht.'" 
Nachdem Mutter und Sohn etwas Toilette gemacht, 
gingen sie wieder ins Erdgeschoß in ein ebenfalls großes, 
Helles Zimmer. Die Decke war getäfelt, der Raum nicht hoch, 
die tiefen, breiten Stühle hatten hohe geschnitzte Lehnen, und 
allerhand kleine Wandschränkchen, Schlüsselbretter und eigen 
tümliche Verzierungen waren in den ebenfalls getäfelten Wänden 
angebracht; vor dem Kamin lag ein mächtiges Tigerfell und 
zwei bequeme Lehnstühle standen zu beiden Seiten. Die 
würdevolle weiße Katze fand es offenbar recht angenehm, 
sich von Lord Fauntleroy streicheln zu lassen, und hatte sich 
ihm sofort angeschlossen, und als er sich nun auf das prächtige 
Fell legte, rollte sie sich majestätisch an seiner Seite auf, 
wodiirch die Freundschaft besiegelt war. Cedrik schmiegte sein 
Köpfchen neben ihr in das weiche Fell und nahni keine Notiz 
von dem Gespräch zwischen seiner Mutter und Mr. Havisham, 
zumal beide halblaut sprachen. Mrs. Errol war sehr blaß 
und sichtlich bewegt. 
„Heute nacht muß er doch nicht schon gehen?" fragte 
sie. „Heute nacht darf er doch noch bei mir bleiben?" 
„Gewiß," erwiderte Mr. Havisham, „es ist keineswegs 
nötig, daß er heute nacht geht. Ich werde mich nach Tische 
aufs Schloß begeben und Seine Herrlichkeit von unsrer An 
kunft in Kenntnis setzen." 
Mrs. Errol warf einen Blick auf Cedrik, der mit un 
bewußter Anmut auf dem bunten Fell hingestreckt lag, während 
das Feuer im Kamin wechselnde Lichter auf sein golden schim 
merndes Haar warf. 
„Der Graf weiß nicht, was er mir nimmt," sagte sie 
mit schmerzlichem Lächeln und setzte dann, zu dem Advokaten 
aufblickend, hinzu: „Wollen Sie die Güte haben, ihm zu sagen, 
daß ich sein Geld nicht will?" 
„Sein Geld? Sie sprechen doch nicht von dem Jahres- 
einkoinmen, das er für Sie ausgesetzt hat?" 
„Doch," antwortete sie einfach, aber bestimmt. „Ich möchte 
dasselbe lieber nicht haben. Die Wohnung hier muß ich an 
nehmen und bin dankbar dafür, denn ich könnte ja sonst nicht in 
der Nähe meines Kindes bleiben; aber ich habe ein kleines Ver 
mögen, das hinreicht, um bescheiden davon leben zu können, und 
mehr brauche ich nicht. Bei der Natur unsrer Beziehungen 
könnte ich keine Wohlthaten von ihm annehmen, ohne das Gefühl
	        
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