Full text: Der kleine Lord

„Mylord, geldgierig können Sie die Dame doch kaum 
nennen. Sie hat nicht nur nichts verlangt, sondern das ihr 
Angebotene abgelehnt." 
„Bloßer Kunstgriff," grollte der edle Lord. „Damit will 
sie mich dran kriegen, daß ich sie sehen soll und womöglich 
ihren Geist bewundern, wovor ich mich wohl hüten werde. 
Amerikanischer Trotz! Ich will nicht, daß sie als Bettlerin 
vor meinem Thore wohnt. Sie ist die Mutter des Jungen 
und hat als solche eine Stellung zu wahren und soll sie 
wahren. Sie wird das Geld bekommen, ob sie will oder 
nicht! Damit will sie nur ihrem Jungen eine schlechte Mei 
nung von mir beibringen! Wird ihn ohnehin schon genügend 
gegen mich eingenommen haben." 
„Nein," sagte Mr. Havisham. „Ich habe Hnen in 
dieser Hinsicht noch etwas von Mrs. Errol zu bestellen." 
„Was ich nicht hören will!" stieß Seine Herrlichkeit, 
keuchend vor Aerger und Gichtschmerzen, hervor. 
Mr. Havisham aber fuhr ungerührt fort: „Sie läßt Sie 
bitten, in Lord Fauntleroys Gegenwart nichts zu äußern, was 
ihm klar machen könnte, daß Sie ihr nicht wohlwollen. Der 
Knabe hängt sehr an ihr, und sie ist überzeugt, daß ihn dies 
Ihnen entfremden würde. Sie hat ihm einfach gesagt, daß 
er noch zu jung sei, um die Gründe der Trennung von ihr 
zu verstehen, und zwar, weil sie wünscht, daß auch kein Hauch 
des Mißtrauens gegen Sie in des Knaben Herz aufkomme." 
Der Graf war in seinen Stuhl zurückgesunken; seine 
tiefliegenden, feurigen Augen funkelten hinter den starken 
Augenbrauen. 
„Seien Sie vernünftig, Havisham," sprach er mühsam, 
„Sie werden mir nicht weismachen wollen, daß die Mutter 
ihm nichts gesagt hat." 
„Nicht eine Silbe, Mylord," versetzte der Advokat ruhig. 
„Der Knabe sieht in Ihnen nichts als den zärtlichen Groß 
papa. Nichts — absolut nichts ist je geäußert worden, was 
ihm auch nur den leisesten Zweifel an Ihrer Vollkommenheit 
erwecken könnte, und da ich Ihre Befehle in Bezug auf seine 
etwaigen Wünsche genau ausgeführt habe, sieht er in Ihnen 
den Inbegriff aller Großmut und Güte." 
„Wahrhaftig? Allen Ernstes?" 
„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß es einzig in Ihrer 
Hand liegt, wie Sie das Verhältnis zu Lord Fauntleroy ge 
stalten wollen, und wenn ich mich unterfangen dürfte, Eurer
	        
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