Mr. Havisham richtete halblaut eine Frage an sie.
„In der Bibliothek, Sir," erwiderte Mrs. Mellon. „Der
Lord Fauntleroy soll allein vorgelassen werden."
Ein paar Minuten darauf öffnete der stattliche Livree
bediente, der Cedrik zu der Bibliothek geführt hatte, die Thür
derselben und meldete: „Lord Fauntleroy, Mylord." Er that
es mit besondrer Feierlichkeit, denn auch er fühlte, daß es
ein großer Moment war, wo der Erbe sein Eigentum betrat
und dem Familienhaupte vorgestellt wurde, dessen Rang und
Besitz dereinst sein eigen werden sollte.
Cedrik schritt über die Schwelle. Es war ein großer,
prächtiger Raum mit schweren, geschnitzten, eichnen Möbeln,
die Wände bis hoch hinauf mit Büchergestellen bedeckt. Die
Möbel waren so dunkel, die Vorhänge so schwer, die Fenster
nischen so tief und die Entfernung zwischen Thür und Fenster
so groß, daß nun, nach Sonnenuntergang, der ganze Ein
druck des Raumes ein düsterer war. Im ersten Augenblicke
glaubte Cedrik, daß überhaupt niemand im Zimmer sei, ent
deckte aber gleich darauf vor dem Feuer, das trotz des warmen
Abends in dem riesigen Kamin brannte, in einein bequemen
Lehnstuhl eine Gestalt, die sich aber nicht nach ihm um
wendete.
Bei einem andern Bewohner des Zimmers hatte er je
doch Aufmerksamkeit erregt. Neben dem Lehnstuhle lag an
der Erde ein Hund, eine ungeheure braungelbe Dogge, fast
so groß und gewaltig wie ein Löwe — majestätisch und lang
sam erhob sich das mächtige Tier und ging mit schwerem,
ivuchtigem Schritt auf die schlanke Kindesgestalt zu.
„Dougal," erklang nun eine Stimme aus dem Lehn
stuhle, „hierher."
Allein dem Herzen des jungen Lord war Furcht so fremd
wie alles Böse, und er war von jeher ein tapferer kleiner
Geselle gewesen. Vertraulich und ruhig legte er sein Händ
chen an des Ungeheuers Halsband und dann schritten sie ein
trächtig miteinander auf den Grafen zu.
Endlich blickte dieser auf und Cedrik sah in das Gesicht
eines großen alten Mannes mit wirrem, weißem Haar, buschi
gen Augenbrauen und einer kühnen Adlernase zwischen den
feurigen, blitzenden Augen. Der Graf aber erblickte eine an
mutige Kindergestalt in einem schwarzen Samtanzug mit
breitem Spitzenkragen und weichen blonden Locken, die das
frische, rosige Gesicht umrahmten, aus dem ein Paar großer