Full text: Der kleine Lord

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er machte seine Muskeln ganz steif, hielt sich kerzengerade 
und sprach dem bedenklich hinkenden alten Herrn Trost zu. 
„Thut dir der Fuß so sehr weh, wenn du darauf stehst?" 
fragte er. „Hast du ihn nie in heißes Wasser mit Senfmehl 
gesteckt? Das hat Mr. Hobbs gut gethan." 
Der große Hund schritt gravitätisch nebenher und der 
Diener folgte. Mehr als einmal flog ein eigentümliches 
Lächeln über sein Gesicht, wenn er beobachtete, wie die kleine 
Gestalt all ihre Kraft zusammennahm und ihre Last so gut 
willig trug, und auch des Grafen Blick streifte ein paarmal 
mit seltsamem Ausdrucke das erhitzte Kindergesicht. 
Als sie das Speisezimmer betraten, bemerkte Cedrik, daß 
auch dies ein sehr großer, imposanter Raum war, und daß 
der Diene' welcher hinter des Grasen Stuhl stand, die Ein 
tretenden yöchst erstaunt anstarrte. Endlich war der Stuhl 
erreicht; ote Hand löste sich von seiner Schulter und der Graf 
ward bequem installiert. 
Cedrik zog DickS Taschentuch hervor und trocknete sich 
die Stirn. 
„Es ist heiß heute abend, nicht?" fragte er. „Wahr 
scheinlich mußt du ein Feuer haben wegen — wegen deinem 
Fuß, nur mir kommt's ein wenig heiß vor." 
Sein angeborener Takt bewahrte ihn davor, irgend etwas 
auch nur scheinbar zu tadeln. 
„Du hast soeben ein hartes Stück Arbeit gehabt," be 
merkte der Graf. 
„O nein! Das war gar nicht hart, nur heiß ist mir's 
geworden," und damit behandelte er seine feuchten Locken 
energisch mit dem Taschentuche. 
Lord Fauntleroys Platz am Tische war seinem Groß 
vater gegenüber, ein breiter Armstuhl nahm auch hier die 
schmale Gestalt auf. Alles, was er bis jetzt gesehen hatte, 
die hohen weiten Räume, die kolossalen Möbel, die stattlichen 
hochgewachsenen Diener, der ungeheure Hund und der Groß 
vater selbst, alles war dazu angethan, ihm die eigne Klein 
heit vor Augen zu bringen. Dies beunruhigte Cedrik jedoch 
keineswegs; für sehr groß oder sehr wichtig hatte er sich nie 
gehalten, und er war mit Freuden bereit, sich auch Verhält 
nissen anzupassen, die etwas Ueberwältigendes für ihn zu 
haben schienen. Freilich hatte er kaum je so winzig aus 
gesehen, als in dem weiten Lehnstuhle an der feierlichen 
Tafel.
	        
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