Full text: Der kleine Lord

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„Wie's der Lord jetzt treibt," hatte Mrs. Dibble erzählt, 
„das ist nicht mehr zu sagen, und was er für Ausdrücke 
braucht — Mr. Thomas hat selbst zu meiner Jane gesagt, 
das halte kein Christenmensch mehr aus, und wenn der Dienst 
sonst nicht gut wäre, und die Gesellschaft im Unterstocke so nett, 
hätt' er ihm neulich, nachdem Mylord ihm die heiße Platte 
mit dem Toast an den Kopf geworfen, rundweg aufgesagt!" 
Dies alles war auch ins Pfarrhaus gedrungen, denn der 
Lord war nun einmal das „schwarze Schaf" in der Gemeinde, 
von dem man nicht genug Schauergeschichten erzählen und 
hören konnte. 
Und noch ein andres ließ den wackeren Geistlichen gerade 
heute einen üblen Empfang im Schlosse fürchten. Jedermann 
wußte, wie wütend der Graf über seines Sohnes amerikanische 
Heirat gewesen war, jedermann wußte, wie hart er ihn be 
handelt hatte, und daß der frische, hübsche junge Mann — 
der einzige seiner Familie, der allgemein beliebt gewesen — 
arm und unversöhnt im fremden Lande gestorben war. Jeder 
mann wußte ferner, daß er ohne jede Neigung oder Freude 
der Ankunft jenes Enkels entgegensah und daß er sich in den 
Kopf gesetzt hatte, einen ungeschlachten, plumpen Lümmel von 
Amerikaner in ihm zu finden, der seinem Namen Schande 
inachen mußte. Das alles wußte man, obgleich der harte, 
stolze Mann sein Inneres vor jedem Menschen zu verbergen 
glaubte! Und während er sich völlig gesichert vor jedem Ein 
blick in sein Leben hielt, hieß es am Dienerschaftstische: „Wenn 
der Alte an des Kapitäns Jungen denkt, treibt er's noch 
toller als sonst, weil er eine Hundeangst vor dem Bengel hat. 
Geschieht ihm aber ganz recht, er ist selber schuld daran, und 
was kann er von einem Kinde erwarten, das da drüben in 
dem Amerika unter geringen Leuten aufgezogen ist?" 
Dies alles überlegte sich Seine Ehrwürden, als er, im 
Schatten der herrlichen alten Bäume dahinschritt, und er sagte 
sich, daß dieser besagte Enkel gestern angekommen und zehn 
gegen eins der Graf infolge des ersten Eindruckes in einer Ber 
serkerwut sei, und doch mußte es sein! 
Dann hatte Thomas ihm die Thür geöffnet, und sein 
erster Blick war auf das merkwürdigste Bild gefallen: der 
Graf in seinem Lehnstuhle, den gichtischen Fuß weich unter 
stützt, und dicht neben ihm, an das gefunde Knie gelehnt, ein 
kleiner Junge mit heißen Wangen und vor Uebermut blitzenden 
Augen.
	        
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