Full text: Der kleine Lord

82 
an andern das Gute herausfinden und streben, auch so zu 
werden." 
Vielleicht dachte der alte Mann an diese Worte, während 
er zwischen den Falten des Vorhanges nach der gegenüber 
liegenden Bank sah, und sein Blick flog oft hinüber nach dem 
lieblichen Gesichte, das seinem Sohne so teuer gewesen, und 
nach den braunen Augen, die so ganz und gar denen des 
Kindes glichen — was für Gedanken ihn dabei bewegten, 
konnte niemand erraten. 
Als „die Herrschaft" aus der Kirche trat, standen die 
Leute umher, um sie vorbeigehen zu sehen, und am Kirchhof 
thore wartete ein Mann, den Hut in der Hand, auf sie, trat 
einen Schritt vor und blieb wieder zögernd stehen. 
„Nun, Higgins?" sagte der Graf. 
„Ist das Mr. Higgins?" fragte Fauntleroy, zu dem 
Maiine mit dem sorgendurchfurchten Gesichte aufblickend. 
„Ja," antwortete Mylord trocken, „vermutlich möchte 
er seinen neuen Gutsherrn in Augenschein nehmen. 
„Ja, Mylord," bestätigte der Mann. „Mr. Newick hat 
mir gesagt, daß der junge Lord ein gutes Wort für mich 
eingelegt habe, und da hätt' ich mich gern bedankt, wenn's 
gestattet ist, Mylord." 
Vielleicht war er etwas erstaunt, daß ein so kleiner 
Bursche in seiner Unschuld so Großes für ihn bewirkt hatte, 
und daß er mm vor ihm stand, gerade wie eins seiner weniger 
vom Glück begünstigten Kinder auch hätte dastehen können, 
sichtlich ohne eine Ahnung von der Bedeutung seiner kleinen 
Person. 
„Ich bin Eurer Herrlichkeit vielen Dank schuldig," be 
gann er, „vielen Dank." 
„O nein," sagte Fauntleroy, „ich habe ja nur den Brief 
geschrieben, gethan hat der Großvater alles, Sie wissen ja, 
wie gut er gegen alle Menschen ist. Ist Mrs. Higgins jetzt 
wieder gesund?" 
Higgins sah einigermaßen verblüfft aus. Von seinem 
Gutsherrn als von einem Wohlthäter der Menschheit sprechen 
zu hören, war ihm allzu neu. 
„Ich — ja — wohl, Euer Herrlichkeit," stotterte er, 
„der Frau geht's schon besser, seit sie sich nicht mehr so ab 
sorgt; 's hat rhr schier das Herz abgedrückt." 
„Das freut mich, daß es besser geht," sagte Fauntleroy. 
„Meinem Großvater hat's so leid gethan, daß Ihre Kinder
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.