Full text: Die Theodicee. (4)

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Abhandlung II. § 100. 101. 
etwas Aehnliches geschehen sei. Er war ein grosser 
Anatomiker und stark in der Naturkenntniss; allein 
leider verliess er diese Richtung und wurde aus einem 
grossen Naturforscher ein mittelmässiger Theolog. Er 
wollte von den Wundern der Natur gar nichts mehr 
hören und es bedurfte eines besondern Befehls des 
Papstes in virlute sanctae obeclientiae (auf 
Grund heiligen Gehorsams), um die Beobachtungen von 
ihm zu erhalten, um welche Herr Thevenot ihn bat. 
So erzählte er, dass das, was ihn viel mit bestimmt 
habe, der römischen Kirche sich zuzuwenden, die Stimme 
einer .Dame in Florenz gewesen sei, welche ihm aus 
einem Fenster zugerufen habe: „Mein Herr, gehen Sie 
nicht auf dieser Seite, sondern auf der andern.“ Diese 
Stimme erschütterte mich (sagte er) weil ich gerade da 
über die Religion nachdachte. Diese Dame wusste, dass 
er jemand in ihrem Hause suchte und weil sie sah, dass 
er nach einem anderen zuging, so wollte sie ihm die 
Wohnung seines Freundes zeigen. 
101. Der Jesuitenpater Johann Davidius hat ein 
Buch mit dem Titel: Veridicus Chrisüanus (der wahr 
sprechende Christ) geschrieben, was eine Art von 
Bücherspiel ist. Man kann nach dem Vorgänge des: 
Tolle Lege des heiligen Augustin die Stellen oft aufs 
Gerathewohl lierausgreifen, wie bei einem Andachtsspiele. 
Indess tragen die zufälligen Umstände, in die wir ohne 
unsern Willen gerathen, nur zu viel zu dem bei, was dem 
Menschen das Heil gewährt oder nimmt. Man denke 
sich ein Paar polnische Zwillinge; der eine wird von 
den Tartaren geraubt, an die Türken verkauft, zum 
Abfall von seinem Glauben gebracht, in die Gott 
losigkeit gestürzt und er stirbt in Verzweiflung; der 
andere wird glücklicherweise gerettet, geräth in gute 
Hände, wo er gehörig unterrichtet wird; und von den 
grossen Wahrheiten der Religion tief ergriffen, übt er 
die Tugenden, welche sie empfiehlt und stirbt mit den 
Gesinnungen eines guten Christen. Man wird das Un 
glück des ersteren beklagen, den vielleicht nur ein 
kleiner Umstand daran gehindert hat, sich ebenso, wie 
sein Bruder zu retten und man erschrickt, dass ein so 
kleiner Zufall über sein Schicksal für alle Ewigkeit ent 
scheiden soll.
	        
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