V orrede.
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über die Freiheit des Menschen und den Ursprung
des Bösen handeln.
Es giebt zwei Labyrinthe, in denen unsere Vernunft
sich sehr oft verirrt; das eine betrifft die grosse Frage
von der Freiheit imd der Nothwendigkeit, ins
besondere in Bezug auf die Hervorbringung und den
Ursprung des Uebels; das andere besteht in der Be
handlung der Stetigkeit und der untheilbaren
Dinge, welche deren Elemente zu sein scheinen und wo
die Untersuchung des Unendlichen mit hinzutreten
muss f ). Das erste Labyrinth umfasst beinahe das ganze
menschliche Geschlecht, während das letzte nur die
Philosophen beschäftigt. Vielleicht habe ich ein ander
mal die Gelegenheit, mich über das letztere auszusprechen
und zu zeigen, dass in Folge mangelhaften Verständ
nisses der Natur der Substanz und des Stoffes, man
falsche Sätze aufgestellt hat, die dann zu unübersteig-
lichen Schwierigkeiten führen, während letztere vielmehr
zur Verwerfung jener Sätze benutzt werden sollten.
Wenn jedoch die Erkenntniss der Stetigkeit für die
philosophische Untersuchung von Wichtigkeit ist, so ist
die Erkenntniss der Nothwendigkeit es nicht weniger für
das Handeln und sie bildet sammt den mit ihr ver
knüpften Dingen über die Freiheit des Menschen und
die Gerechtigkeit Gottes den Gegenstand dieser Schrift.
Zu allen Zeiten hat die Menschen ein Trugschluss
beunruhigt, welchen die Alten die faule Vernunft
nannten, weil er dahin führt, nichts zu thun oder
wenigstens sich um nichts zu kümmern und nur seinen
Neigungen zum unmittelbaren Genüsse zu folgen. Denn,
sagte man, wenn das Zukünftige nothwendig ist, so wird
das, was kommen muss, eintreten, gleichviel, was ich
auch thun mag. Nun ist das Kommende nothwendig,
sagte man, entweder weil die Gottheit alles voraussieht
und sie selbst bei Leitung der Dinge dieser Welt es
vorausbestimmt hat, oder weil vermöge der Verknüpfung
der Dinge alles nothwendig eintritt, alles in Folge der
Natur der Wahrheit selbst, die in den Aussprüchen,
welche man über die kommenden Ereignisse machen
kann, so bestimmt ist, wie es in allen andern Aussprüchen
der Fall ist. Denn der Ausspruch an sich muss immer
entweder wahr oder falsch sein, wenn man auch nicht