Full text: Die Theodicee. (4)

Vorrede. 
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weil ihr der göttlichen Vorsehung oder der Natur der 
Dinge keinen Widerstand leisten könnt (was allerdings 
für unsere ltuhe zureichen möchte, aber nicht für unsere 
Zufriedenheit), sondern auch deshalb, weil ihr es mit einem 
guten Herrn zu thun habt. Man könnte dies das christ 
liche Schicksal nennen. 
Indess zeigt sich, dass die Mehrzahl der Menschen 
und selbst der Christen bei ihren Handeln auch etwas 
Mischung mit dem türkischen Schicksal eintreten lassen, 
wenn sie sich dessen auch nicht genügend bewusst sind. 
Sie verharren allerdings bei offenbaren Gefahren, oder 
bei sichern und grossen Glücksfällen nicht in Unthätig- 
keit und Nachlässigkeit; denn sie werden z. B. nicht 
versäumen, ein einstürzendes Haus zu verlassen oder 
sich von einem Abgrunde, der auf ihrem Wege sich 
öffnet, wegzuwenden; sie werden auch in der Erde nach 
dem Schatz graben, der schon halb entdeckt ist, und 
nicht warten, bis das Schicksal ihn vollends hervortreten 
lässt; ist dagegen das Gute oder das Uebel noch ent 
fernt und zweifelhaft und das Schutzmittel beschwerlich 
oder nicht genehm, so gilt uns die faule Vernunft für 
gut. Handelt es sich z. B. um die Erhaltung unserer 
Gesundheit und selbst unseres Lebens vermittelst einer 
zuträglichen Lebensweise, so entgegnen die Leute, denen 
man einen solchen Rath giebt, sehr oft, dass unsere 
Tage gezäldt seien und dass es vergeblich sei, gegen 
das zu kämpfen, was Gott uns bestimmt habe. Dabei 
ergreifen aber dieselben Leute mit Hast die lächerlichsten 
Mittel, • wenn das vernachlässigte Uebel sich nähert. 
Ebenso bringt man ähnliche Gründe da hervor, wo das 
Ueberlegen etwas schwierig wird; z. B. wenn man sich 
fragt, quod vitae sectabor iter? welchen Beruf man 
wählen solle ? oder wenn es sich um eine Heirath handelt, 
oder um einen Krieg, den man unternehmen soll, oder 
um eine Schlacht, die es geben wird; denn in allen 
diesen Fällen werden Manche die Mühe des Ueberlegens 
zu vermeiden gern geneigt sein, und vorziehen, sich dem 
Schicksal oder ihrer Neigung zu überlassen, als wenn 
sie ihre Vernunft nur in jenen leichten Fällen zu ge 
brauchen hätten. Man wird dann oft wie ein Türke 
denken (obgleich man dies sehr verkehrter Weise ein 
Ergeben in die Vorsehung nennt, denn dies passt nur
	        
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