10
Vorrede.
da, wo man das Seinige gethan hat) und man wird die
faule Vernunft benutzen, welche sich auf das unvermeid
liche Schicksal stützt, um damit sich die Ueberlegung,
welche sich gehört, zu ersparen. Man bedenkt nicht,
dass wenn ein solcher Einwand gegen den Gebrauch der
Vernunft begründet wäre, er immer gelten müsste, mag
die Ueberlegung leicht oder schwer sein. Diese Faulheit
ist auch zum Theil die Quelle für das abergläubische
Handwerk der Wahrsager, auf welches die Leute sich
ebenso, wie auf den Stein der Weisen verlassen; denn sie
mögen gern einen kürzern Weg, auf dem sie ohne Mühe
das Glück erreichen können.
Ich spreche hier nicht von denen, welche ihrem
Glück blind vertrauen, weil sie bisher glücklich gewesen
sind, als wenn hier etwas Beharrliches bestände. Ihre
Folgerungen von dem Vergangenen auf das Kommende
sind so wenig begründet, wie die Lehren der Astrologie
und andere Voraussagungen. Sie bedenken nicht, dass
das Glück seine Ebbe und Flutli hat, una manca, wie
die Bassette spielenden Italiener es zu nennen pflegen.
Sie machen hierbei ihre besonderen Beobachtungen, auf
die ich Niemanden rathen möchte, zu fest sich zu ver
lassen. Indess steigert allerdings ein solches Vertrauen
auf das eigene Glück oft den Muth dieser Menschen,
insbesondere bei den Soldaten. In Wahrheit macht oft
das besondere Glück, was sie sich zuschreiben, wie ja
auch Voraussagungen dies oft bewirken, dass das Voraus
gesagte eintrifft. So nimmt man ja auch an, dass die
Meinung der Mahomedaner vom Schicksal sie entschlossener
mache. In dieser Weise haben selbst Irrthümer mit
unter ihren Nutzen, indess meist nur insofern, als sie
andere Irrthümer verbessern; aber die Wahrheit ist un
bedingt mehr werth.
Man treibt jedoch mit dieser vorgeblichen Notli-
wendigkeit des Schicksals hauptsächlich Missbrauch, um
damit seine Laster und sein ausgelassenes Leben zu ent
schuldigen. Ich habe oft aufgeweckte junge Leute, die
als starke Geister sich zeigen wollten, sagen hören, dass
es unnütz sei, die Tugend zu predigen, das Laster zu
tadeln und auf Lohn zu hoffen oder Strafen zu fürchten,
weil man von dem Buche des Schicksals behaupten
könne, dass es bei dem, was darin geschrieben stehe,