Full text: Die Theodicee. (4)

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Vorrede. 
da, wo man das Seinige gethan hat) und man wird die 
faule Vernunft benutzen, welche sich auf das unvermeid 
liche Schicksal stützt, um damit sich die Ueberlegung, 
welche sich gehört, zu ersparen. Man bedenkt nicht, 
dass wenn ein solcher Einwand gegen den Gebrauch der 
Vernunft begründet wäre, er immer gelten müsste, mag 
die Ueberlegung leicht oder schwer sein. Diese Faulheit 
ist auch zum Theil die Quelle für das abergläubische 
Handwerk der Wahrsager, auf welches die Leute sich 
ebenso, wie auf den Stein der Weisen verlassen; denn sie 
mögen gern einen kürzern Weg, auf dem sie ohne Mühe 
das Glück erreichen können. 
Ich spreche hier nicht von denen, welche ihrem 
Glück blind vertrauen, weil sie bisher glücklich gewesen 
sind, als wenn hier etwas Beharrliches bestände. Ihre 
Folgerungen von dem Vergangenen auf das Kommende 
sind so wenig begründet, wie die Lehren der Astrologie 
und andere Voraussagungen. Sie bedenken nicht, dass 
das Glück seine Ebbe und Flutli hat, una manca, wie 
die Bassette spielenden Italiener es zu nennen pflegen. 
Sie machen hierbei ihre besonderen Beobachtungen, auf 
die ich Niemanden rathen möchte, zu fest sich zu ver 
lassen. Indess steigert allerdings ein solches Vertrauen 
auf das eigene Glück oft den Muth dieser Menschen, 
insbesondere bei den Soldaten. In Wahrheit macht oft 
das besondere Glück, was sie sich zuschreiben, wie ja 
auch Voraussagungen dies oft bewirken, dass das Voraus 
gesagte eintrifft. So nimmt man ja auch an, dass die 
Meinung der Mahomedaner vom Schicksal sie entschlossener 
mache. In dieser Weise haben selbst Irrthümer mit 
unter ihren Nutzen, indess meist nur insofern, als sie 
andere Irrthümer verbessern; aber die Wahrheit ist un 
bedingt mehr werth. 
Man treibt jedoch mit dieser vorgeblichen Notli- 
wendigkeit des Schicksals hauptsächlich Missbrauch, um 
damit seine Laster und sein ausgelassenes Leben zu ent 
schuldigen. Ich habe oft aufgeweckte junge Leute, die 
als starke Geister sich zeigen wollten, sagen hören, dass 
es unnütz sei, die Tugend zu predigen, das Laster zu 
tadeln und auf Lohn zu hoffen oder Strafen zu fürchten, 
weil man von dem Buche des Schicksals behaupten 
könne, dass es bei dem, was darin geschrieben stehe,
	        
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