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Vorrede.
nur ein Nichts seien, stellen sie uns den Würmern der
Erde gleich, welche die Menschen bei ihren Schritten zu
zertreten sich nicht scheuen oder überhaupt den Geschöpfen
yon anderer als unserer Art, die man ohne Bedenken
misshandelt.
Selbst Manche, mit guten Gesinnungen, neigen zu
solchen Meinungen, weil sie deren Folgen nicht genügend
erkennen. Sie sehen nicht ein, dass damit eigentlich die
Gerechtigkeit Gottes vernichtet wird; denn was soll man
von solch einer Gerechtigkeit denken, die nur ihr Be
lieben zur Regel nimmt, d. h. wo der Wille nicht mehr
durch die Regeln des Guten geleitet wird und sich
geradezu dem Schlechten zuwendet; stimmt dies nicht
ganz mit der tyrannischen Definition des Thrasimachus
bei Plato °), welcher das für gerecht erklärte, was dem
Mächtigem gefalle. Darauf kommen Alle zurück, welche
die Pflichten auf den Zwang gründen und folgeweise die
Macht als Maassstab des Rechts aufstellen. Man wird
indess so sonderbare Grundsätze, die so wenig geeignet
sind, die Menschen durch Nachahmung Gottes gut und
liebevoll zu machen, bald aufgeben, wenn man wohl
bedacht haben wird, dass ein Gott, der sich an dem
Schlechten eines Anderen erfreut, von dem schlechten
Prinzip der Manichäer sich nicht unterscheiden würde,
vorausgesetzt, dass dieses Prinzip zum alleinigen Herrn
der Welt geworden wäre. Deshalb muss man dem wahren
Gott Gesinnungen beilegen, die ihn würdig machen, das
gute Prinzip zu heissen.
Glücklicherweise bestehen solche übertriebene Lehr
sätze unter den Theologen beinah nicht mehr; aber
geistvolle Männer, die gern Schwierigkeiten erregen,
holen sie wieder hervor. Sie suchen unsere Verlegenheit
zu steigern, indem sie die Streitsätze, welche die christ
liche Theologie hervorgerufen hat, mit den Zeugnissen
der Philosophie verbinden. Die Philosophen haben die
Fragen der Nothwendigkeit, der Freiheit und vom Ur
sprung des Uebels erörtert und die Theologen haben
diesen Fragen die weiteren über die Erb-Siinde, über die
Gnade und die Vorherbestimmung hinzugefügt. Die ur
sprüngliche Verdorbenheit des Menschengeschlechts,
welche von der ersten Sünde gekommen ist, scheint uns
eine natürliche Nothwendigkeit zu sündigen aufgelegt zu