Full text: Die Theodicee. (4)

Vorrede. 
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haben, wenn die Gnade Gottes uns nicht beistehe. Weil 
aber die Nothwendigkeit sicli mit der Bestrafung nicht 
vertrage, so müsse man folgern, dass ein genügender 
Grund von Gnade allen Menschen hätte mitgetheilt 
werden sollen; allein dies stimmt nicht recht mit der Er 
fahrung. 
Diese Schwierigkeit ist jedoch gross, vorzüglich in 
Bezug auf die Bestimmung Gottes über das Heil der 
Menschen. Es giebt nur wenig Gerettete oder Aus 
erwählte ; Gott hat also nicht den beschliessenden Willen, 
viele zu erwählen und da man einräumt, dass die von 
ihm Erwählten dies nicht mehr als die Andern verdienen 
und sie im Grunde nicht weniger schlecht, als diese sind, 
weil das Gute an ihnen nur von dem ihnen zugefallenen 
Geschenke Gottes kommt, so ist die Schwierigkeit da 
durch nur vergrössert. Wo bleibt da seine Güte? Die 
Partheilichkeit oder die Begünstigung einzelner 
Personen widerstreitet der Gerechtigkeit und wer ohne 
Grund seiner Güte Schranken setzt, kann keine genügende 
Güte besitzen. Allerdings sind die Nicht - Erwählten 
durch ihre eigenen Fehler verloren; es fehlt ihnen der 
gute Wille oder der lebendige Glaube; allein es hat doch 
nur von Gott abgehangen, ihnen diesen Willen und 
Glauben zu geben. Man macht geltend, dass neben der 
innern Gnade es gewöhnlich äussere Anlässe sind, welche 
die Unterschiede unter den Menschen herbeiführen und 
dass die Erziehung, der Umgang, das Beispiel oft die 
natürliche Anlage verbessere oder verschlechtere. Wenn 
nun Gott für die Einen günstige Anlässe entstehen lässt 
und Andere in Verhältnisse gerathen lässt, die ihr 
' Unglück befördern, sollte man da keinen Grund haben, 
i sich zu erstaunen? Auch genügt es nicht (wie es scheint), 
dass man mit Einigen sagt, die innere Gnade sei all 
gemein und gleich für alle; denn dieselben Männer 
müssen wieder auf die Aussprüche des heiligen Paulus 
zurückgehen und sagen: Welche Tiefe! wenn sie 
bedenken, wie viele Menschen durch äussere Gnaden so 
zu sagen ausgezeichnet sind, d. h. durch solche Gnaden, 
welche auf dem Unterschied der Umstände beruhen, die 
Gott hat entstehen lassen und über welche die Menschen 
i keme Macht haben, die aber doch einen grossen Einfluss 
i auf das haben, was sich auf ihr Heil bezieht.
	        
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