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Abhandlung II. §216.217.
aucli übertrifft im Universum nicht blos das Gute die
Uebel, sondern das Uebel dient auch zur Vermehrung
des Guten. 201 )
217. Herr Bayle sagt auch, dass die Stoiker aus
diesem Grundsätze eine Gottlosigkeit abgeleitet haben, in
dem sie sagten, dass man die Uebel geduldig ertragen
müsse, weil sie nothwendig wären, nicht blos zur Ge
sundheit und Vollständigkeit des Universums, sondern
auch zum Glück, zur Vollkommenheit und dem Gedeihen
Gottes, welcher es regiere. Dasselbe hat der Kaiser
Marc Aurel im 8. Kap., Buch 5 seiner Selbstgespräche
gesagt, wo es heisst: „Duplici ratione einiges oportet,
„quiequid evenerit tibi; altera quod tibi natum et tibi
„coordinatum et ad te quodammodo affectum est; altera,
„quod Universi Gubernatori prosperitatis et consumma-
„tionis 5 atque adeo permansionis ipsius procurandae
„(Tijs tvrp'lug y.ai zr\s avvrAuas -/.ca xrjs avf/f/ovris ciVTijs)
„ex parte causa est.“ (Aus zwiefachem Grunde hat man
das, was einem begegnet, zu lieben; einmal weil es dir
angeboren, und dir angemessen und dir gleichsam an
geheftet ist und zweitens weil es zum Theil die Ursache
des Wohlergehens, und der Vollendung und also der
Erhaltung des Regierers des Universums ist.) — Diese An
weisung ist nicht gerade die vernünftigste der von diesem
grossen Kaiser gegebenen. Das eine, diligas oportet
(oregyuv /(irj) (Man hat zu lieben) ist nichts werth; ein
Gegenstand wird nicht liebenswerth, weil er nothwendig
ist und weil er für jemand bestimmt und ihm angeheftet
ist; auch hört dies, was ein Uebel für mich ist, nicht
auf, es zu sein, weil es ein Gut für meinen Herrn ist,
sofern dieses Gut nicht auch mir zu Statten kommt.
Zu den in der Welt vorhandenen Gütern gehört auch
unter anderem, dass das allgemeine Gut auch wirklich
zum besondern Gut derer werde, welche ihren Schöpfer
über alles lieben. Aber der Hauptirrthum dieses Kaisers
und der Stoiker war, dass sie glaubten, das Gute im
Universum müsste Gott selbst Vergnügen gewähren,
weil sie Gott als die Weltseele auffassten. Dieser Irr
thum ist in meinem Lehrsatz nicht enthalten, Gott ist
nach mir, die intelligentia exlramundana (die ausser-
weltliche Vernunft), wie Martian Capella sagt, oder viel
mehr supramundana (die überweltliche). Ausserdem