Full text: Die Theodicee. (4)

Abhandlung II. § 220. 221. 222. 
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am meisten entspricht, während Herr Hobbes denjenigen 
Zustand den natürlichen nennt, welcher am wenigsten 
Kunst enthält, indem er vielleicht nicht bedenkt, dass 
die menschliche Natur in ihrer Vollkommenheit die Kunst 
mit in sich enthält. Indessen wäre dieser Wortstreit über 
das was natürlich ist, von wenig Erheblichkeit, wenn 
Aristoteles und Hobbes nicht den Begriff des Naturrechts 
darauf gestützt hätten und jeder dabei seine Definition 
festgehalten hätte. Ich habe früher gesagt, dass ich iii 
dem Buche über die Falschheit der menschlichen Tugenden 
denselben Fehler finde, welchen Herr Descartes in dem 
Werke von Hobbes über den Bürger gefunden hat. 
221. Selbst wenn in dem menschlichen Geschlecht 
des Lasters mehr als der Tugend wäre, wie ja auch die 
Zahl der Verworfenen die der Auserwählten übertreffen 
soll, so folgt daraus keineswegs, dass das Laster und 
das Elend die Tugend und das Glück in dem Universum 
übersteigen; man muss vielmehr das Gegentheil annehmen, 
weil der Staat Gottes der vollkommenste von allen 
möglichen Staaten ist, da er von dem grössten und besten 
aller Monarchen gebildet worden ist und fortwährend 
geleitet wird. Diese Antwort bestätigt das von mir oben 
bei der Uebereinstimmung des Glaubens mit der Ver 
nunft Gesagte. Es ist eine der grössten Quellen für die 
Fehlschlüsse in diesen Einwürfen, dass man das Schein 
bare mit dem Wirklichen verwechselt. Ich meine damit 
nicht unbedingt das Scheinbare, welches aus einer genauen 
Erwägung der Thatsachen sich ergiebt, sondern das, was 
aus dem kleinen Umfang unserer Erfahrungen abgeleitet 
wird. Es ist sehr unvernünftig, wenn man so unvoll 
kommene und so wenig scheinbare Schlüsse den Beweisen 
der Vernunft und den Offenbarungen des Glaubens ent 
gegenstellt. 202 ) 
222. Schliesslich habe ich schon gesagt, dass die 
Liebe der Tugend und der Hass des Lasters mit ihrer 
unbestimmten Richtung auf Verwirklichung der Tugend 
und Verhinderung des Lasters nichts sind, als der Wille, 
das Glück aller Menschen zu fördern und ihr Elend zu 
verhindern. Diese vorgehenden Willen bilden nur einen 
Theil alles vorgehenden Willens Gottes zusammen, dessen 
Ergebniss den nachfolgenden Willen oder den Beschluss, 
das Beste zu schaffen, ergiebt. Durch diesen Beschluss
	        
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