Abhandlung- II. § 227. 228.
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„Macht Gottes so unendlich ist, wie seine Weisheit und
„nun sehe ich, dass dieser Mann eigentlich annimmt, die
„Güte und Macht Gottes sei in sehr enge Grenzen ein-
„geschlossen.“ Dieser Punkt ist indess bereits erledigt;
ich setze der Macht Gottes keine Grenzen, denn ich er
kenne an, dass sie sich ad maximum, acl omnia (auf das
Grösste und auf Alles) erstreckt, auf alles, was keinen
Widerspruch enthält und ich setze auch seiner Güte
keine Grenzen, weil sie bis zu dem Besten reicht: ad
Optimum. Herr Bayle fährt jedoch fort: „Es giebt also
„keine Freiheit in Gott; er ist durch seine Weisheit ge
zwungen, zu schaffen und zwar gerade ein solches
„Werk und gezwungen, es gerade ai;f diesen Wegen zu
„schaffen. Dies sind drei Zwangszustände, welche ein
„schlimmeres Fatum als das Stoische ausmachen und die
„alles unmöglich machen, was nicht in das Gebiet dieses
„Fatum’s fällt. Gott hätte wohl nach diesem Systeme
„selbst, ehe er seine Beschlüsse gefasst hat, sagen
„können: Ich kann diesen Menschen nicht erretten und
„jenen nicht verdammen, quippe vetor fatis (das Schicksal
„verbietet es mir), aber meine Weisheit erlaubt es mir
„nicht.“
228. Ich antworte, dass es die Güte Gottes ist,
welche ihn zur Schöpfung bestimmt, um sich mit-
zutheilen; dieselbe Güte in Verbindung mit seiner Weis
heit bestimmt ihn, das Beste zu erschaffen. Dies befasst
alle Folgen, die Wirkung und die Wege. Diese Weisheit
bestimmt ihn, ohne ihn zu zwingen, denn sie macht das,
was sie nicht wählen lässt, nicht unmöglich. Nennt man
dies Fatum, so wird es in einen gutem Sinne genommen,
welcher der Freiheit nicht widerspricht. Fatum kommt
von fari, sprechen, aussprechen; es bezeichnet ein
Urtheil, einen Beschluss Gottes, das, was seine Weisheit
bestimmt. Wenn man sagt, dass man etwas nicht
thun könne, blos weil man es nicht wolle, so ist
dies ein Missbrauch der Worte. Der Weise will nur
das Gute; ist es da eine Knechtschaft, wenn der Wille
der Weisheit gemäss handelt? Kann man weniger Sclave
sein, wenn man nach seiner eignen Wahl handelt und
dem vollkommensten Grunde folgt? Aristoteles sagt, dass
derjenige sich in einer natürlichen Knechtschaft (natura
servus) befinde, welcher sich nicht selbst benehmen kann