Full text: Die Theodicee. (4)

Abhandlung II. § 236 t 237. 238. 293 
Der Obersatz ist selbstverständlich, denn man kann 
etwas nicht, dessen Gegentheil nothwendig ist. Aber den 
Untersatz kann man nicht zulassen, denn wenn auch 
Gott seine Weisheit liebt, so bleiben doch die Handlungen, 
zu denen seine Weisheit ihn veranlasst, freie und ebenso 
bleiben die Dinge, wozu ihn seine Weisheit nicht ver 
anlasst, immer möglich. Ueberdem hat seine Weisheit 
ihn veranlasst, das Heil aller Menschen zu wollen, nur 
nicht mit einem nachfolgenden oder beschliessenden 
Willen. Da aber dieser nachfolgende Wille nur das Er 
gebnis des freien vorgehenden Willen ist, so kann auch 
dieser nicht ermangeln, ein freier zu sein. 
Zweiter Schluss. 
232. „Das der Weisheit Gottes würdigste Werk 
„befasst unter anderem die Sünde aller Menschen und 
„die ewige Verdammniss des grössten Theiles derselben.“ 
„Nun will Gott nothwendig das seiner Weisheit 
„würdigste Werk.“ 
„Also will er nothwendig das Werk, was unter an- 
„derem auch die Sünde aller Menschen und die Verdamm- 
„niss des grössten Theiles derselben befasst.“ 
Ich gebe den Obersatz zu, aber bestreite den Unter 
satz. Die Beschlüsse Gottes sind immer freie, obgleich 
Gott dazu immer durch Gründe, welche auf das Gute 
abzielen, bestimmt wird. Denn ein durch die Weisheit 
erfolgender moralischer Zwang ist ein Bestlmmt-werden 
durch die Erwägung des Guten, d. h. es ist ein Freisein 
und also kein metaphysisches Gezwungensein, da nur die 
metaphysische Nothwendigkeit, wie ich schon oft gesagt, 
der Freiheit entgegengesetzt ist. 
238. Ich will die Schlüsse nicht prüfen, welche 
Herr Bayle in dem folgenden Kapitel (Kap. 152) dem 
System der Supralapsarier entgegenstellt, insbesondere 
dem Vortrag, welchen Theodor von Beze bei dem Zwie 
gespräch in Montbdliard im Jahre 1586 gehalten hat. 
Diese Schlüsse des Herrn Bayle leiden beinah an den 
selben Fehlern, wie die eben geprüften; aber auch das 
System von Beze genügt mir nicht; überdem hat jenes 
Gespräch nur die Verbitterung der Parteien gesteigert. 
Nach Herrn Beze „hat Gott die Welt zu seinem Ruhme
	        
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