Full text: Die Theodicee. (4)

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Abhandlung II. § 238. 239. 
„geschaffen; sein Ruhm wird nicht erkannt, wenn seine 
„Barmherzigkeit und seine Gerechtigkeit nicht verwirk 
licht wird. Deshalb hat Gott keine bestimmten Menschen 
„aus bioser Gnade zum ewigen Leben und keine durch 
„gerechtes Urtheil zur ewigen Yerdammniss bestimmt. 
„Die Barmherzigkeit setzt Elend, die Gerechtigkeit Schuld 
„voraus“ (er konnte hinzufügen, dass auch das Elend 
Schuld voraussetzt). „Indess ist Gott gut, oder die Güte 
„selbst und hat deshalb den Menschen gut und gerecht 
„geschaffen, aber veränderlich, so dass er mit freiem 
„Willen sündigen kann. Der Mensch ist nicht im Fluge 
„oder im Uebermuth gefallen; auch nicht aus Ursachen, 
„die, nach den Manichäern, irgend ein anderer Gott 
„angeordnet hat, sondern in Folge der Vorsehung Gottes, 
„aber immer so, dass Gott in den Fehler nicht mit ver 
nickelt war und nur so, dass der Mensch nicht ge 
zwungen war, zu sündigen.“ 
239. Dieses System gehört nicht eben zu den 
besten, welche erdacht worden sind; es ist wenig geeignet, 
um die Weisheit, die Güte und die Gerechtigkeit Gottes 
erkennen zu lassen, und glücklicherweise ist es heutzu 
tage aufgegeben. Gäbe es keine tiefem Gründe, welche 
Gott zu dem Gestatten der Schuld bestimmen konnten, 
die die Quelle des Elendes ist, so gäbe es weder Schuld 
noch Elend in der Welt, da die hier angeführten Gründe 
nicht zureichen. Gott würde seine Barmherzigkeit mehr 
erkennen lassen, wenn er das Elend verhinderte und 
mehr seine Gerechtigkeit, wenn er die Schuld verhinderte 
und mehr die Tugend, wenn er sie belohnte. Man ver 
steht auch nicht, wie der, welcher nicht blos bewirkt, 
dass ein Mensch fallen kann, sondern auch die Umstände 
so einrichtet, dass sie helfen ihn fallen zu machen, nicht 
die Schuld daran trage, wenn keine andern Gründe vor 
handen sind, welche ihn dazu nöthigen. Wenn man 
aber erwägt, dass der vollkommen gute und weise Gott, 
alle Tugend, Güte und alles Glück hervorzubringen hat, 
dessen der beste Plan des Universum’s fähig ist, und 
dass ein Uebel in einigen Theilen oft ein grösseres Gut 
für das Ganze veranlassen kann, so ergiebt sich leicht, 
wie Gott dem Unglück so hat Raum geben und selbst 
die Verschuldung so gestatten können, wie es der Fall 
ist, ohne dass er deshalb getadelt werden kann. Dies ist
	        
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