Full text: Die Theodicee. (4)

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Anhang I. 
Also ist Gott nicht frei. 
Antwort. Ich bestreite den Obersatz dieses Be 
weises; vielmehr ist es die wahre und vollkommenste 
Freiheit, seine Willensfreiheit auf’s Beste zu gebrauchen 
und diese Macht immer zu üben, ohne davon weder 
durch äussere Gewalt, noch durch innere Leidenschaften 
sich abhalten zu lassen; denn die eine ist die Knecht 
schaft des Körpers und die andere die der Seele. Nichts 
ist weniger knechtisch, als sich immer zu dem Guten 
führen zu lassen und zwar immer durch seine eigne 
Neigung, ohne Zwang und ohne Missbehagen. Auch der 
Einwurf, dass Gott danach der äussern Dinge bedürfe, 
ist nur ein sophistischer. Er schafft die äussern Dinge 
in seiner Freiheit, aber da er sich ein Ziel gesetzt, 
nämlich seine Güte zu üben, so hat ihn seine Weisheit 
bestimmt, die passendsten Mittel für dieses Ziel zu wählen. 
Nennt man dies ein Bedürfniss, so wird dabei dieses 
Wort in dem ungewöhnlichen Sinne genommen, welcher 
es von aller Unvollkommenheit reinigt, wie man ohngefähr 
auch von dem Zorne Gottes so spricht. 
Seneca sagt einmal, dass Gott nur einmal befohlen 
habe, aber dass er immer gehorche, weil er den Gesetzen 
gehorcht, die er sich vorzuschreiben gewollt hat; semel 
jussit, semper paret. (Einmal hat er befohlen und immer 
gehorcht er.) Allein er hätte besser gesagt, dass Gott 
immer befehle und immer gehorche; denn bei seinem 
Wollen folgt er immer der Neigung seiner eignen Natur 
und alles Uebrige folgt immer seinem Willen, und da 
dieser Wille immer derselbe ist, so kann man nicht sagen, 
dass er nur dem gehorche, was er einmal früher gewollt 
habe. Obgleich nun sein Wille immer unveränderlich ist 
und immer auf das Beste geht, so bleibt doch das Uebel 
oder das geringere Gute, was er zurückweist, an sich 
möglich; denn sonst wäre die Nothwendigkeit des Guten 
eine geometrische (um mich so auszudrücken) oder meta 
physische Nothwendigkeit und völlig unbedingt; die Zu 
fälligkeit der Dinge wäre dann vernichtet und es gäbe 
keine Wahl mehr. Jene Art von Nothwendigkeit, welche 
die Möglichkeit des Gegentheils nicht aufhebt, hat diesen 
Namen nur von der Aehnlichkeit; sie wird wirksam, 
nicht durch das blose Wesen der Dinge, sondern durch 
ptwas ihnen Aeusserliches, was über ihnen steht, d. h. durch
	        
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