Abhandlung I. § 2. 3.
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Nothwendigkeit ruht, d. k. auf eiuer Auswahl des Weisen,
welche seiner Weisheit würdig ist, und dass sowohl die
eine, wie die andere von der geometrischen Notliwendig-
keit unterschieden werden muss. Diese physische Notli-
wendigkeit bewirkt die Ordnung in der Natur; sie
besteht in den Gesetzen der Bewegung und in einigen
andern allgemeinen, die es Gott gefallen hat, den Dingen
bei deren Erschaffung zu geben. Gott hat sie daher
nicht ohne Grund gegeben; denn er thut nichts aus
Eigensinn oder gleichsam zufällig, oder aus einer reinen
Gleichgültigkeit. Indess können diese allgemeinen Gründe
für das Wohl und die Ordnung, welche zu diesen Ge
setzen geführt haben, mitunter durch die stärkeren Gründe
einer hohem Ordnung durchbrochen werden. 4)
3. Hieraus erhellt, dass Gott seine Geschöpfe von
den ihnen vorgeschriebenen Gesetzen befreien und bei
ihnen das hervorbringen kann, wozu ihre Natur nicht
hinreicht, indem er ein Wunder thut. Wenn die Ge
schöpfe dadurch zu Vollkommenheiten und Kräften er
hoben werden, welche vornehmer sind, als die, zu denen
sie durch ihre eigene Natur gelangen können, so nennen
die Scholastiker eine solche Kraft eine gehorchende,
weil das Geschöpf sie durch den Gehorsam erlangt,
welchen es dem Befehle dessen leistet, welcher ihm das
verleihen kann, was es nicht hat. Indess geben die
Scholastiker gewöhnlich solche Beispiele von dieser
Kraft, welche ich für unmöglich halte, z. B. wenn sie
behaupten, Gott könne den Geschöpfen eine erschaffende
Kraft ertheilen. Es kann auch Wunder geben, welche
Gott durch den Dienst von Engeln verrichtet; hier
werden die Naturgesetze ebensowenig verletzt, wie wenn
die Menschen der Natur durch die Kunst nachhelfen, da
die Kunst der Engel nur dem höhern Grade nach von
der unserigen verschieden ist. Indessen bleibt es immer
wahr, dass der Gesetzgeber von den Naturgesetzen Aus
nahmen gewähren kann, während die ewigen Wahrheiten,
z. B. die geometrischen, durchaus keine Ausnahme ge
statten und daher der Glaube ihnen nicht widersprechen
kann. Deshalb ist ein unbesiegliclier Einwand gegen
die Wahrheit nicht möglich; denn wenn dieser Einwand
in einem Schlüsse besteht, der sich auf die Prinzipien
oder auf unbestreitbare Thatsachen stützt, und aus einer