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Abhandlung I. §. 3. 4.
Verkettung ewiger Wahrheiten besteht, so ist der ge
folgerte Schlusssatz gewiss und unabwendbar und das ihm
Entgegengesetzte muss falsch sein, sonst könnten zwei
sich widersprechende Sätze zugleich wahr sein. Ist aber
der Einwand nicht so beweisbar, so führt er nur zu
einem wahrscheinlichen Satz, welcher gegen den Glauben
nichts vermag, da man anerkennt, dass die Geheimnisse
der Religion den Erscheinungen widersprechen können.
Nun erklärt Herr Bayle in der nach seinem Tode er
schienenen Antwort an Herrn Le Clerc, wie er nicht
behaupte, dass es Schlussfolgerungen gegen die Glaubens
wahrheiten gebe und somit verschwinden alle jene un
überwindlichen Schwierigkeiten und jener angebliche
Widerstreit der Vernunft mit dem Glauben. 5)
Hi motus animorum aique haec discrimina tanta
Pulveris exigui jactu compressa quiescunt.
(All diese Bewegung der Geister und diese grossen
Gegensätze
Erlöschen und kommen durch den Wurf von ein
wenig Staub zusammengedrückt zur Ruhe.)
4. Sowohl die protestantischen, wie die römisch-
katholischen Theologen stimmen, wenn sie die Sache mit
Sorgfalt behandeln, mit diesen von mir aufgestellten
Sätzen überein; alles was man gegen die Vernunft sagen
kann, trifft nur jene angebliche Vernunft, welche durch
falschen Schein verdorben ist und gemissbraucht wird.
Es ist ebenso, wie mit den Begriffen von der Gerechtig
keit und Güte Gottes. Man spricht manchmal von ihnen,
als wenn man keine Vorstellung und keine Definition
von ihnen hätte. Wäre dies wahr, so hätte man keinen
Halt, weshalb man Gott solche Eigenschaften beilegen
und ihn deren rühmen sollte. Seine Güte und seine
Gerechtigkeit unterscheiden sich ebenso, wie seine
Weisheit, von der unserigen nur durch ihre unbegrenzt
höhere Vollkommenheit, deshalb können die einfachen
Begriffe, die nothwendigen Wahrheiten und die beweis
baren Folgerungen der Philosophie der Religion nicht
widersprechen. Wenn in der Theologie einige philo
sophische Grundsätze zurückgewiesen werden, so ist es
nur der Fall, weil man ihnen nur eine physikalische,