Full text: Die Theodicee. (4)

Abhandlung I. § 4. 5. 6. 
37 
oder moralische Notli wendigkeit zuspricht, die nur das 
betrifft, was gewöhnlich eintritt und deshalb sich nur 
auf die Wahrscheinlichkeit stützt, die aber, sofern Gott 
es für gut findet, auch nicht zutreffen kann. 
5. Aus dem Gesagten erhellt, dass die Ausdrücke 
Derer mitunter an Verwirrung leiden, welche die Philo 
sophie mit der Theologie oder den Glauben mit der 
Vernunft in Streit bringen. Sie vermengen das Er 
klären, Begreifen, Beweisen, Behaupten mit 
einander. Selbst Herr Bayle ist, glaube ich trotz seines 
Scharfsinns, nicht immer frei von dieser Verwechselung. 
Die Mysterien können so weit erklärt werden, als zum 
Glauben an sie nötliig ist, aber man kann sie nicht be 
greifen noch verständlich machen, wie sie geschehen. 
Selbst in der Naturwissenschaft erklärt man mehrere 
wahrnehmbare Eigenschaften nur bis zu einem gewissen 
Punkte, aber doch nur in unvollkommener Weise, weil 
man sie nicht begreift. Ebensowenig können wir mittelst 
der Vernunft die Mysterien erklären, denn alles, was sich 
a priori oder durch die reine Vernunft beweisen lässt, 
kann begriffen werden. Wenn wir also an die Mysterien 
auf Grund der Beweise für die Wahrheit der Religion 
glauben (die man Beweggründe des Glaubens 
nennt), so bleibt uns nur die Fähigkeit übrig, dass wir 
sie gegen die Ein würfe aufrecht erhalten können. 
Ohnedem hätte unser Glaube an sie keinen festen Grund; 
denn alles, was auf eine ernste und schlussgerechte 
Weise widerlegt werden kann, muss falsch sein. Die 
Beweise für die Wahrheit der Religion, die nur eine 
moralische Gewissheit gewähren können, würden 
durch Einwürfe von einer unbedingten Gewissheit auf 
gewogen, ja selbst aufgehoben werden, wenn sie über 
zeugend und streng beweisend wären. Dies 
Wenige könnte mir genügen, um die Schwierigkeiten 
bei dem Gebrauch der Vernunft und der Philosophie in 
Bezug auf die Religion zu beseitigen, wenn man es nicht 
oft mit den Vorurtheilen mancher Personen zu thun hätte. 
Da jedoch der Gegenstand wichtig und mehrfach sehr ver 
dunkelt worden ist, so dürfte es zweckmässig sein, wenn 
ich mehr in Einzelnes eingehe. 6) 
6. Die Frage nach der Uebereinstimmung des 
Glaubens mit der Vernunft ist von jeher ein grosses
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.