Abhandlung I. § 6. 7.
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(durch welche die Dinge ein anderes Ansehen erhalten
haben) und selbst noch darüber hinaus gehen, da selbst
auch nach den Tridentinischen Concil viele Dogmen, wie
z. B. das von der physischen Vorherbestimmung, von dem
mittleren Wissen, von der philosophischen Sünde, von
den gegenständlichen Vorbestimmtheiten und von anderen
in der speculativen Theologie, so wie selbst Gewissensfälle
in der praktischen Theologie lebhaft verhandelt worden
sind. 7)
7. Kurz vor diesen Veränderungen und vor der
grossen Spaltung der abendländischen Kirche, welche
noch jetzt fortdauert, gab es in Italien eine Anzahl
Philosophen, welche diese Uebereinstimmung des Glaubens
mit der Vernunft, die ich behaupte, bekämpften. Man
nannte sie Averroisten, weil sie sich zu "einem'berühmten
arabischen Schriftsteller hielten, welchen man vorzugs
weise den Commentator nannte und welcher am meisten
unter den Erklärern des Aristoteles von seiner Nation in
dessen Sinn eingedrungen zu sein schien. 8) Dieser
Commentator behauptete, in Fortführung des von den
griechischen Erklärern bereits Gelehrten, dass nach
Aristoteles und selbst nach der Vernunft (was beides
damals beinah für dasselbe galt) die Unsterblichkeit der
Seele nicht bestehen könnte. Seine Gründe sind die
folgenden: Nach Aristoteles vergeht das menschliche Ge
schlecht nicht; wenn also die Seele der Einzelnen nicht
untergeht, muss man zur Seelenwanderung gelangen, die
dieser Philosoph verworfen hat; oder wenn neue Seelen
hinzukommen, so muss man eine unendliche Menge
solcher in alle Ewigkeit beharrenden Seelen annehmen.
Nun ist aber eine wirkliche Unendlichkeit unmöglich,
wie derselbe Aristoteles lehrt; also muss man schliessen,
dass die Seelen, d. h. die Formen der organischen
Körper mit diesen Körpern untergehen müssen, oder
dass dies wenigstens mit der leidenden Vernunft ge
schehen muss, welche dem Einzelnen eigenthümlich an
gehört. Es würde also dann nur die thätige Vernunft
übrig bleiben, welche allen Menschen gemeinsam ist und
welche nach Aristoteles von Aussen in den einzelnen
Menschen eintritt und welche überall sich betliätigen
muss, wo die Organe dazu geeignet sind, wie der Wind