Full text: Das sogenannte Gesetz des Mose (5)

fremden Altaren wandten., nahm immer mehr zu. Natürlich gaben 
die einzelnen Jahwe deshalb nicht auf. Aber Jahwe war ihnen 
nur ein Gott neben anderen geworden. Wie in allen anderen Kultur 
ländern, so kannte man auch im späteren Israel in den herrschenden 
Kreisen eine Mehrheit von Göttern, die nebeneinander verehrt wurden. 
Es ist einfach nicht wahr, daß die israelitische Volks- und Königsreligion 
Monotheismus (Dienst eines einzigen Gottes) gewesen wäre! 
Zeigt uns somit dieses erste Gebot, wie die Lewiten den neuen 
Königskulten gegenüber ans Selbsterhaltungstrieb notwendig in Oppo 
sition treten mußten, so beweist das zweite, daß diese Opposition sich 
nicht nur aus die ausländischen Götter, sondern ebenso gegen die Art 
und Weise der Jahwe-Verehrung an den königlichen Tempeln vollzog. 
Es ist nämlich wiederuni einfach nicht wahr, daß der altisraelitische 
Kultus in Kanaan eine bildlose Jahwe-Verehrung gewesen wäre. Bild 
los war der Jahwe-Kultus nur in der nomadischen Zeit, In Kanaan 
aber lernten die Israeliten ihren Jahwe ebenso im Stierbild verehren, 
wie das die Kanaanäer vor ihnen getan hatten. Solche Stierbilder 
standen in den hochgefcicrten Jahwetempeln in Bethel und Dan und 
Wohl auch an anderen Orten, Der Name El Schaddaj, den man in 
altisraelitischen Liedern öfter auf Jahwe bezogen findet, heißt wahr 
scheinlich Stier-Gott. Auch wird Jahwe zuweilen direkt „Stier Jakobs" 
genannt. 
Abor gerade gegen diesen Stierdienst haben die Lewiten sich be 
sonders leidenschaftlich gewendet. Hier vertraten sie in Wahrheit ur 
alte Tradition, wenn sie Jahwes Gestalt als Rauch und Flamme dachten 
und es als unrecht empfanden, ihn in irgendeinem tierischen oder mensch 
lichen Bilde zu fassen. Gerade sie waren es, die in scharfen Spott 
geschichten den goldenen Stier von Dan und das „goldene Kalb" von 
Bethel lächerlich zu machen versuchten, (Richter 17—18; 2. Mose 32; 
1. Könige 12.) Aber dadurch ist für uns eben bewiesen, daß sie aus 
geschlossen ivaren von der Amtierung an de» großen Reichsheiligtümern 
und in der Opposition gegen andere, herrschende Priestersippen standen. 
Tatsächlich hat ihre Opposition ihnen auch gar nichts genützt. Solange 
das Reich Israel stand und noch ein Jahrhundert darüber hinaus hat 
auch der Stier in Bethel gestanden. 
Ebenso sind die anderen Stücke der Urform der Zehn Gebote nur 
als Programm und nicht als Darlegung des wirklich zu recht bestehenden 
Kultus zu betrachten. Aber sie richten sich (mit Ausnahme von 
Gebot 10) nicht so sehr gegen konkurrierende Priester, als vielmehr 
gegen das Volk, das von den Priestern ausgebeutet werden soll, Sic 
alle lausen darauf hinaus, die Einnahmen der Priester und den Ver 
kehr an den Heiligtümern zu steigern.. 
Im sechsten und siebenten Gebot wird eine dreifache Festfeier im 
Jahre für Jahwe gefordert: dreimal im Jahr, im Frühling, im 
Sommer und Herbst, soll alles, was männlich ist, am Heiligtum seine 
Gaben darbringen und seine Opsermahlzeiten halten. Schon das ist 
eine Steigerung gegenüber dem, was die altisraelitische Religion als 
tatsächliche Sitte kannte. In der Legende von Samuel, die selbst nicht 
sehr alt ist, aber doch wenigstens volkstümliche und nicht rein lewitische 
Anschauungen widerspiegelt, wird erzählt, daß Samuels Eltern vor 
der Geburt des Kindes alljährlich einmal aus ihrem Dorf zu dem 
Jahwetempel in Silo gewallfahrtet seien, um dort vor Jahwe das 
Opfcrmahl zu feiern. (1. Samuel 1.) Offenbar ist dabei das Herbstfest 
gemeint, das Fest der Jahreswende, das große Erntedankfest, das man
	        
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