fremden Altaren wandten., nahm immer mehr zu. Natürlich gaben
die einzelnen Jahwe deshalb nicht auf. Aber Jahwe war ihnen
nur ein Gott neben anderen geworden. Wie in allen anderen Kultur
ländern, so kannte man auch im späteren Israel in den herrschenden
Kreisen eine Mehrheit von Göttern, die nebeneinander verehrt wurden.
Es ist einfach nicht wahr, daß die israelitische Volks- und Königsreligion
Monotheismus (Dienst eines einzigen Gottes) gewesen wäre!
Zeigt uns somit dieses erste Gebot, wie die Lewiten den neuen
Königskulten gegenüber ans Selbsterhaltungstrieb notwendig in Oppo
sition treten mußten, so beweist das zweite, daß diese Opposition sich
nicht nur aus die ausländischen Götter, sondern ebenso gegen die Art
und Weise der Jahwe-Verehrung an den königlichen Tempeln vollzog.
Es ist nämlich wiederuni einfach nicht wahr, daß der altisraelitische
Kultus in Kanaan eine bildlose Jahwe-Verehrung gewesen wäre. Bild
los war der Jahwe-Kultus nur in der nomadischen Zeit, In Kanaan
aber lernten die Israeliten ihren Jahwe ebenso im Stierbild verehren,
wie das die Kanaanäer vor ihnen getan hatten. Solche Stierbilder
standen in den hochgefcicrten Jahwetempeln in Bethel und Dan und
Wohl auch an anderen Orten, Der Name El Schaddaj, den man in
altisraelitischen Liedern öfter auf Jahwe bezogen findet, heißt wahr
scheinlich Stier-Gott. Auch wird Jahwe zuweilen direkt „Stier Jakobs"
genannt.
Abor gerade gegen diesen Stierdienst haben die Lewiten sich be
sonders leidenschaftlich gewendet. Hier vertraten sie in Wahrheit ur
alte Tradition, wenn sie Jahwes Gestalt als Rauch und Flamme dachten
und es als unrecht empfanden, ihn in irgendeinem tierischen oder mensch
lichen Bilde zu fassen. Gerade sie waren es, die in scharfen Spott
geschichten den goldenen Stier von Dan und das „goldene Kalb" von
Bethel lächerlich zu machen versuchten, (Richter 17—18; 2. Mose 32;
1. Könige 12.) Aber dadurch ist für uns eben bewiesen, daß sie aus
geschlossen ivaren von der Amtierung an de» großen Reichsheiligtümern
und in der Opposition gegen andere, herrschende Priestersippen standen.
Tatsächlich hat ihre Opposition ihnen auch gar nichts genützt. Solange
das Reich Israel stand und noch ein Jahrhundert darüber hinaus hat
auch der Stier in Bethel gestanden.
Ebenso sind die anderen Stücke der Urform der Zehn Gebote nur
als Programm und nicht als Darlegung des wirklich zu recht bestehenden
Kultus zu betrachten. Aber sie richten sich (mit Ausnahme von
Gebot 10) nicht so sehr gegen konkurrierende Priester, als vielmehr
gegen das Volk, das von den Priestern ausgebeutet werden soll, Sic
alle lausen darauf hinaus, die Einnahmen der Priester und den Ver
kehr an den Heiligtümern zu steigern..
Im sechsten und siebenten Gebot wird eine dreifache Festfeier im
Jahre für Jahwe gefordert: dreimal im Jahr, im Frühling, im
Sommer und Herbst, soll alles, was männlich ist, am Heiligtum seine
Gaben darbringen und seine Opsermahlzeiten halten. Schon das ist
eine Steigerung gegenüber dem, was die altisraelitische Religion als
tatsächliche Sitte kannte. In der Legende von Samuel, die selbst nicht
sehr alt ist, aber doch wenigstens volkstümliche und nicht rein lewitische
Anschauungen widerspiegelt, wird erzählt, daß Samuels Eltern vor
der Geburt des Kindes alljährlich einmal aus ihrem Dorf zu dem
Jahwetempel in Silo gewallfahrtet seien, um dort vor Jahwe das
Opfcrmahl zu feiern. (1. Samuel 1.) Offenbar ist dabei das Herbstfest
gemeint, das Fest der Jahreswende, das große Erntedankfest, das man