Full text: Das sogenannte Gesetz des Mose (5)

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feierte, nachdem die ganze Sommerarbeit in Acker und Weinberg getan 
war. Dieses Herbstfest ist das einzige, das in alter Zeit durch Wall 
fahrten zürn nächstgelegenen Heiligtum begangen wurde. Das Passah- 
fest und mit ihm das Fest der ungesäuerten Brote hat man in Wirklich 
keit niemals am Heiligtum, sondern immer zu Hause in der Familie 
gefeiert. Und das „Wochenfest" ist offenbar überhaupt nur eine 
lewitifche Erfindung gewesen; aus dem tatsächlichen Leben des alten 
Israel kennen wir nicht eine Spur seiner Existenz. 
Tie Forderung der dreimaligen Festfeier statt der in Wirklichkeit > 
einmal jährlich geübten diente natürlich dein Interesse der Priester. 
Der Bauer, der mitten aus der Sommerarbeit herausgerissen werden 
sollte, hätte sie niemals erfunden. Aber der Priester hatte höhere 
Einnahmen und höheres Ansehen, wenn er dreimal im Jahre aus allen 
Familien seines Bezirks Opferanteile erhielt! 
Ebenso zeigen die Bestimmungen über das Opfer die Tendenz, die 
altüberlieferten Leistungen erheblich zu steigern. Das alte Passah 
fest war das Fest von Nomaden gewesen, die Schaf- oder Ziegenherden 
besaßen; es forderte, einmal im Jahre, im Frühling, je das Beste vom 4 
Jahreswurf der -schafe oder Ziegen für Jahwe. Jetzt formulierten die 
Priester ganz allgemein den Satz, daß jede Erstgeburt Jahwe gehöre. | 
(Gebot 3.) Das heißt: die Pflicht zum Opfer wird über das ganze 
Jahr ausgedehnt und auf allen Besitz, auf Rindvieh so gnt wie auf Feld 
früchte oder Menschenkinder bezogen. Von den Erstlingsgarben des, 
Feldes wird das im Gesetz selber gesagt (Gebot 9): sie sollen auf alle >' 
Fälle, auch außerhalb der drei Feste, zum Tempel gebracht werden. 
Und ein alter Zusatz zum Gesetz, der das Gebot von der Erstgeburt 
näher erläutert, spricht ausdrücklich aus, daß auch die menschlich^ Erst 
geburt Jahwe verfallen sei, und daß sie durch ein Schlaf gelöst werden 
müsse. 
ao sehen wir aus diesem ältesten uns bekannten Programm der. 
Lewiten, wie sie eine merkwürdige Doppelstellung im Volksleben ein 
genommen haben. Einerseits waren sie Priester, das heißt, sie waren 
eine ausbeutende Klasse, feie lebten nicht von eigener Arbeit und , 
eigenem Boden, sondern von den Abgaben, die das Volk der Bauern ' \ 
ihnen brachte. Und sie haben redlich danach gestrebt, diese Abgaben so > 
hoch zu schrauben wie nur irgend möglich. Andererseits aber waren sie 
selbst in Opposition gegen reichere und glücklichere Konkurrenten. Von 
den großen Heiligtümern des königlichen Kultus waren sie aus 
geschlossen; in unbeachteten Landarten mögen sie ihr kärgliches Dasein 
gefristet haben. Daher das Bestreben, den Königskultus verächtlich 
zu machen und die wallfahrenden Israeliten von Bethel, Dan, Beerseba 
usw. fort zu ihren stillen Heiligtümern zu lenken. Ihr Selbstinteresse 
brachte sie in Opposition zum König und zu den herrschen Klassen. Aus 
beuter des Volkes wie irgendeiner, mußten sie doch in: Volk den Haß und 
die Verachtung gegen die neumodischen Kulte der herrschenden Klassen i 
schüren. 
Die Zehn Gebote des Elohisten. 
Schon durch ihre eigene soziale Stellung konnte den Lewiten der « 
Gedanke nahegelegt werden, für ihre Gruppeninteressen Hilfe und s» 
Unterstützung bei denjenigen Teilen des Volkes zu suchen, die selbst aus 
sozialen Gründen gegen die herrschenden Klassen in Opposition standen. 
Machten sie sich zu Fürsprechern der Verarmten und Unterdrückten, so £
	        
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