Full text: Das sogenannte Gesetz des Mose (5)

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Nur an einem Punkte zeigen diese Rechtssatzungen ein freund 
licheres Gesicht: Der israelitische Mann, der ans Ueberschuldung dem 
Gläubiger als Sklave gegeben wurde, soll im siebenten Jahre wieder 
frei werden. Nur wenn er will, soll er auf immer bei seinem Herrn 
bleiben. Es ist möglich, daß diese eine mildere Bestimmung nicht zu 
den alten Nechtssatzungen selbst gehörte, sondern daß hier der Elohist 
eine Umarbeitung vollzogen hat. Wenigstens hat noch der Prophet 
Jeremia (Jeremia 34) festgestellt, daß diese Freilassung bis etwa 394 
vor Christus im wirklichen Leben niemals auch nur versucht worden ist. 
Immerhin würde dies der einzige Punkt in den ganzen Rechtssatzungen 
sein, an dem die soziale Tendenz der Lewiten zum Ausdruck käme. Im 
übrigen haben sie Wohl die oberste Autorität auch über das bürgerliche 
Recht für Mose und damit für sich beansprucht: aber sie haben materiell 
an diesem Rechte nicht das Geringste geändert. 
Dafür hat der Elohist diesen Rechtssatzungen einige kräftige Nach- 
worte gegeben, in denen die sozialen Töne wieder stärker hervortreten: 
sie beziehen sich sämtlich auf das Verhalten der Zeugen und Richter in 
einem Prozeß: 
„Nicht sollst Du ein Lügengerücht aussprengen: nicht sollst Du 
Deine Hand dem Frevler bieten, ein falscher Zeuge zu werden; nicht 
sollst Du hinter dein großen Haufen herlaufen, um Unrecht zu tun; 
nicht sollst Tn bei einem Prozeß als Zeuge austreten, um von der 
Wahrheit abzubiegen und das Recht zu beugen. 
Einen Großen sollst Dil in seinem Prozeß nicht unterstützen; 
nicht sollst Dil beugen das Recht Deines Armen in feinem Prozeß. 
Von einer trügerischen Sache bleib fern; imd einen Unschuldigen, 
der sich im Recht befindet, hilf nicht ilmbringen, lind dein, der int 
Unrecht ist, sollst Du nicht zum Recht verhelfen. 
Uild Bestechung sollst Du nicht annehmen. Denn Bestechung 
macht die Sehenden blind und verkehrt die gerechte Sache." 
Indem sie so Recht nnb Wahrhaftigkeit in der Prozeßführung 
vertraten, nahmen die Leviten tatsächlich eine der Grundforderungen 
der proletarischen Klassen auf. Daß gerade vor Gericht der Arme dem 
Reichen rettungslos preisgegeben sei, ist eine Klage, die sich in den 
Schriften aller älteren Propheten findet. Die uralte Vorstellung, die 
gerade in der Heimat der Lewiten eine besonders lebendige Wirkung 
gehabt hatte, daß Jahwe der Herr des Gerichts und der Hüter des 
Rechtes sei, konnte hier zu neuein Leben erwachen. Die Priesterforderung, 
auch über das bürgerliche Gericht in letzter Instanz die Entscheidung 
zu haben, konnte so einen tieferen Inhalt bekommen. Gerade das 
Stichwort, daß Jahwe der Gott von „Recht lind Gerechtigkeit" sei. 
hat, wie wir später sehen werden, für die Vertiefung der Gottesidee 
und die Katastrophe der israelitischen Religion das meiste getan. 
Lernsprüche vermischten Inhaltes. 
Durch die Aufnahme der Rechtssatzungen und der Sprüche über 
gerechtes Gericht in die Jahwe-Offenbarung am Gottesberge war ein 
Vorbild gegeben worden, das bald eifrige Nachahmer fand. War die 
Schranke einmal durchbrochen, die noch der jahwistische Einsatz aufrecht- 
erhalten hatte, daß nämlich Jahwe nur den Wortlaut des tevitischen 
Grundgesetzes selber verkündet habe, so konnte nun jeder, der etwas 
auf dem Herzen hatte, eine Spruchreihe bildeil, die Jahwe bei dieser
	        
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