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faulen zertrümmern, ihre Heiligen Pfähle verbrennen, ihre Gottes
bäume umhauen und ihren Namen von jener Stätte vertilgen. Nicht
dürft ihr ebenso den Dienst für Jahwe, euren Gott, einrichten. Sondern
die Stätte, die Jahwe, euer Gott, aus allen euren Stämmen erwählen
wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, die allein sollt ihr
aussuchen und dorthin allein sollt ihr kommen!" (12, 2—5.)
In diesen Sätzen liegt der Grundgedanke und die eigentliche Ab
sicht des neuen Gesetzes: Die Heiligtümer aus uralter Zeit, die Israel
beim Betreten des Landes von seinen Vorgängern übernommen hatte,
sollen zerstört werden, nur der Tempel auf dem Zion soll in Zukunft
als Jahwe-Heiligtum gelten: Die ganze israelitische Religion, die
sich gerade an diesen Heiligtümern abgespielt hatte, soll als Abfall und
Sünde gegen Jahwe gebrandmarkt werden! Es ist ein absolut neuer
Gedanke, der in der israelitischen Religion damit hervortritt, neu nicht
nur für die tatsächliche Wirklichkeit, sondern neu auch für die bisherige
Theorie der Opposition.
Der ganzen altisraelitischen Geschichte war der Gedanke fremd
gewesen, daß Jahwe nur an einem Heiligtum verehrt werden wolle.
Ein alter Spruch, der heute mitten in der elohistischen Form der Zeh»
Gebote steht, hat Jahwe ausdrücklich die Verheißung in den Mund
gelegt: „An jeder Heiligen Stätte, an der ich meinen Namen wohnen
lassen werde, will ich zu dir kommen und dich segnen." (2. Mose 20, 24.)
Die elohistische Form der Zehn Gebote selbst hat eine Vielheit von
Jahwealtären vorausgesetzt: nur daß sie einfach und nicht nach fremd
ländischem Muster gebaut sein sollten. Von Elia hat man erzählt, daß
er den verfallenen Jahwe-Altar auf dem Karmel wieder aufgebaut
habe. (1. Könige 18.) Der Jahwist hat mindestens fünf Jahwealtäre,
die au verschiedenen Heiligtümern standen, ausdrücklich aus Jahwe-
Erscheinungeu abgeleitet: noch reichhaltiger und ausführlicher ist, was
der Elohist über die Heiligtümer des Landes erzählt hat. Die gegen
wärtige Form des Kultus in Bethel hat er verspottet (Goldenes Kalb):
aber den Tempel selbst und die Abgabe des Zehnten hat auch er auf
den Urvater'Jakob zurückgeführt. Die ganze Vätersage ist ja überhaupt
nur entstanden, weil es verschiedene Heiligtümer gab, die jedes eine
eigene Kultussage erzählten.
Alle diese Heiligen Stätten reichten in uralte Vorzeit zurück: sie
alle waren durch eine Gewöhnung von Jahrtausenden dem Gefühl der
Menschen als unnahbar, heilig, ehrwürdig erschienen. Und jetzt sollten
sie mit einem Schlage verunreinigt werden, sollte es Frevel sein, an
ihnen zu opfern, und sollte nur der eine Tempel auf dem Zion eine
Ausnahme machein! Aber dieser Zion war das jüngste Heiligtum im
ganzen Lande. Niemals hat hier in kanaanäischer Zeit ein Tempel
gestanden. Erst Salomo ist auf den Gedanken verfallen, neben seinem
prächtigen Königsschloß, und Wand an Wand mit ihm, einen Jahwe-
Tempel zu bauen. Das ist noch der Erinnerung der späteren Jahr
hunderte so deutlich gewesen, daß man niemals auch nur den Versuch
gemacht hat, eine Kultussage vom Zion aus uralter Zeit zu erzählen.
Und nun sollte dieses jüngste aller israelitischen Heiligtümer das Mo
nopol behaupten und alle anderen sollten um seinetwillen geschändet
werden. In anderen Stücken war es die Taktik der Priester gewesen,
jene Gefühlsinstinkte, die auf uralter Gewöhnung beruhten, und die
einst in dem naiven Seelenglauben ursprünglicher Naturmenschen
ihren Grund gehabt hatten, auch im Kulturleben wach zu erhalten und
womöglich zu steigern, um ihre eigene Machtstellung auf solche Ge-