Full text: Das sogenannte Gesetz des Mose (5)

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Wenn er diesem Gott und seinen Priestern hilfreich entgegenkam, wenn 
er sich für das Gesetzbuch einsetzte, das den Priestern die unbedingte 
und absolute Autorität über das ganze Volk übertrug, und darüber 
hinaus diesen Priestern noch völlige Abgabenfreiheit verhieß, so ist 
daraus zu ersehen, daß das politische Interesse seiner eigenen Herrschast 
auf diesen Priestern beruhte, daß er in ihnen die Vorkämpfer seiner 
Weltmonarchie gegen etivaige Selbständigkeitsgelüste der Nationen er 
kannt hatte. Wir sahen schon, daß diese Begründung ihrer Macht ans 
die Priester die durchgehend geübte Politik bei allen persischen Königen 
war. In dieser Periode waren sowohl die jiidischen als auch die baby 
lonischen und ägyptischen Priester durch die Perser vollständig ent- 
nationalisiert worden. 
Für die Durchführung dieses Gesetzes ist somit die politische Ab 
sicht des Weltkönigs wohl die wichtigste Triebkraft gewesen. Aber bei 
der Entstehung des Gesetzes haben doch andere Gruppen die Führung 
gehabt. Ohne Frage sind es zunächst die Priester gewesen, die an der 
Abfassung dieses Gesetzbuches Interesse hatten. Sie sicherten sich damit 
für immer Einkommen, Macht und die moralische Führung des Volkes. 
Aber es wäre doch falsch, nur die Selbstsucht der Priester als schaffende 
Kraft an diesem Gesetze gelten zu lassen. Jener Nehemia, der als 
persischer Statthalter das Gesetz erst wirklich durchgeführt hat, war kein 
Priester, sondern ein Laie, allerdings ein hochstehender und vermögen 
der Mann. Ihm war es, wie seine Auszeichnungen zeigen, ein zwingen 
des Herzensbedürfnis, für Jahwes Ehre und reinen Kultus zu streiten. 
„Gedenke mir, Jahwe, was ich getan habe," ist ein Stoßgebet, das sich 
ihm bei der Erzählung seiner Taten öfter entringt. 
Wenn man das Gesetzbuch liest, kann man verstehen, was diesen 
und andere Laien an ihm interessieren konnte: Es garantierte ihnen 
die Heiligkeit ihres eigenen Lebens! Es schuf einen großen Heils 
apparat, eine Entsündignngsanstalt, die automatisch in Jerusalein 
funktionierte und den Inden in aller Welt Jahwes Gnade verschaffte. 
Täglich stieg der Rauch der Versöhnungsopfer gen Himmel, am Sabbath 
in siebenfach verstärkter Kraft, und an den heiligen Festen in wahr 
haft verschwenderischer Fülle. Wer unter den „Heiden" lebte und in 
Ackerbau, Handel oder Hofdienst mit ihnen Geschäfte machte, konnte sich 
voir der Welt nicht ganz so fleckenrein halten, wie es die jüdische Sitte 
und das Gebot Jahwes erfordert hätte. Wollte man doch an den Hoff 
nungen des Jahweglanbens Anteil behalten, so mußte irgendwie dafür 
gesorgt sein, daß die unvermeidlichen Sünden des täglichen Lebens 
sofort ihre Sühne fanden, ehe sie Jahwe von seinem Volke entfremden 
konnten. Diesem schlechten Gewissen gerade der reichen, weltläuftigen 
Juden in Babylonien entsprach das Gesetzbuch, das am Tempel in 
Jerusalem den täglichen Entsündignngsdienst organisierte. 
So sind in diesem Gesetzbuch mehr als bei dem großen Reformwerk 
von 623 auch religiöse Interessen einer Laiengrnppe zur Herrsch- und 
Gewinnsucht der Priester hinzugekommen, um die große Grundlage 
der jüdischen Kirche zu schaffen. Durchgeführt aber konnte sie nur 
werden, weil auch das politische Interesse der Weltmonarchie in die 
gleichen Richtungen ivies — und weil Nehemia im entscheidenden 
Augenblick verstand, die sozialen Gegensätze in der jndäischen Bevölke 
rung in seinem Interesse zu benutzen. Davon werden wir später aus 
führlicher zu berichten haben.
	        
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