Full text: Die Propheten (6)

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eines einheitlichen und größeren göttlichen Wesens zu fassen. In diesem 
Sinne wirkte schon die Sprache auf die Vereinheitlichung des Denkens 
hin: man nannte jedes dieser übermenschlichen Wesen mit dem gemein- 
semitischen Wort „El" (Gott) oder Baal (Herr) dieser oder jener Heiligen 
Stätte. Auf dem Gebirge Peor sprach man voni Baal Peor, in Tyrns 
vom Baal von Tyrus, in Sichern vom Baal des Bundes und ähnlich an 
anderen Orten. so gewöhnte man sich, mit dem einheitlichen Wort 
auch ein einheitliches Wesen zu bezeichnen. „Der Baal", seltener auch 
„Die Baale" erscheint recht eigentlich als der kanaanäische Name für 
Gottheit oder Gott, erscheint als der zusammenfassende und beherrschende 
Gott von Kanaan. 
Entsprechend der wirtschaftlichen Kultur seiner Verehrer erscheint 
der Baal als Bauerngott. Er ist der Herr der Fruchtbarkeit und des 
Ackers. Er gibt Regen, Korn und Wein. Sein Hauptfest liegt im 
Herbst: „Das Fest" schlechthin, das Erntedankfest, das nach beendeter 
Weinlese gefeiert ward. Es ward begangen in den Formen, die bei den 
Weinbauern in aller Welt zu beobachten sind: in überströmendem Jubel, 
mit tobendem Tanz und berauschendem Trunk, in zügelloser und alle 
Schranken sonstiger Sitte jäh überspringender Liebesumarmung. Dem 
Gott der Fruchtbarkeit und der Zeugung weihten sich auch sonst in den 
Baalstempeln Männer und Mädchen. Es gab „geweihte Mädchen" so 
gut wie „geweihte Männer", die aus diesem Dienste des Gottes zugleich 
ein Gewerbe machten. 
Aber der Baaldienst hatte neben der fröhlichen auch seine furcht 
bare Seite, In Zeiten der Not forderte der Gott überall das Opfer 
des ältesten Sohnes. Und es gab Lokalheiligtümer genug, wo der 
Kultus sogar regelmäßig verlangte, daß der älteste Sohn dem Gott der 
Zeugung wieder geopfert werde. Ein solches Heiligtum hat sich bei 
Jerusalem bis fast zur Zerstörung der Stadt durch die Babylonier er 
halten : von einem anderen gibt die Sage von Isaaks Opferung 
wenigstens noch dunkle Kunde. 
Symbol und Abbild des Baal war der Stier, das Hanptbesitztnm 
des kanaanäischen Bauern im Unterschied von den Hirtenstümmen der 
Wüste, die nur Schafe und Ziegen besaßen. Der Stier, der den Pflug 
zieht, ist recht eigentlich das Tier, in dem der Ackerbau sich verkörpert', 
und seine stärke macht ihn zum Abbild des Gottes besonders geeignet. 
Auch in anderen orientalischen Bauernreligionen ist der Stier darum 
die Verkörperung des Gottes geworden. Namentlich in Bethel, dem 
uralten Zentralheiligtum aus dem Gebirge Ephraim, ist der Baal iin 
Stierbild unter dem Mauren des „Stiergottes" (El schaddaj) verehrt 
worden. 
Neben dem Worte Baal hatte die kanaanäische Religion noch andere 
Mittel entwickelt, die Verschmelzung der vielen Lokalgötter zu einer 
umfassenderen Gottheit zum Ausdruck zu bringen. Man muß gelegentlich 
von einem El Eljon gesprochen haben, d. h. vom Höchsten El. Der 
Name ist von den Israeliten anfgenonrnren und auf Jahwe übertragen 
worden; namentlich im späteren Judentum ist er sehr gebräuchlich ge 
wesen. Aber die Wortbildung zeigt, daß er schon ans dem 
Kanaanäischen stammt. 
Inhaltlich verwandt mit dein Namen „Der Höchste" ist die Be 
zeichnung „Der König" (Melech), die ebenfalls altkanaanäischen 
Ursprungs ist. Melech (nach der schlechten Aussprache der alten Rabbinen 
Moloch) begegnet als Gottesname sowohl bei den Phöniziern als auch 
bei den Ammonitern (östlich von Jordan) und innerhalb des eigentlichen
	        
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