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oder besser Entdeckung der einzelnen Heiligtümer, und die Namen der
Helden selbst, die sie entdeckt baden sollen, stammen aus vorisraelitischer
Zeit. Und doch haben die Israeliten sie noch Jahrhunderte später-
ziemlich unverändert weitergeführt. Das ist nur möglich, wenn sie mit
Bewußtsein und Absicht der kanaanäischen Kultussitte gefolgt sind. Sie
müssen tatsächlich in den ersten Jahrhunderten ihres Aufenthaltes im
Lande die Absicht gehabt haben, die Götter der neuen Heimat und die
verschiedenen Heiligen Stätten ebenso zu verehren, wie sie-sahen, daß
die kanaanäischen Bauern es taten.
Was wir aus den Patriarchengeschichten nur durch Rückschluß ver
muten konnten, hat ein späterer Schriftsteller, der Prophet Hosen, um
760 vor Christus mit dürren Worten gesagt. Er beurteilte den ganzen
israelitischen Kultus als Abfall von Jahwe, weil nicht Jahwes, sondern
der Baale Name bei Dankgebet und Opferspende genannt werde. Der
Vorwurf wäre sinnlos, wenn nicht tatsächlich noch zu seiner Zeit an allen
Heiligtüinern die altkanaanäische Kultusformel in Uebung gewesen
wäre. Natürlich hatte man in: achten Jahrhundert längst die alten
Götter vergessen und hatte unter jenen El Eljon oder El Schaddaj oder
Pachad Jzchak oder El Jakob usw. schon lange Jahwe verstanden. Aber
daß der Kultus in seinen Formeln, in seiner Liturgie, die alten Götter
namen weitertrug, beweist, daß cs ursprünglich eine Zeit gab, in der
man mit Bewußtsein diese Götter verehren wollte.
Und tatsächlich kann es ja gar nicht anders gewesen sein! ' Der
Gedanke, daß Jahwe der einzige Gott im Himmel und aus der Erde
sei, lag weit jenseits des Horizontes eines einfachen Wüstenstammes.
Praktisch war bisher Jahwe der einzige-Gott der Israeliten gewesen,
weil er der Schulzgeist des Stammes war, und weil im einfachen Leben
des Hirtenvolkes für weitere Gottheiten noch kein Bediirfnis war.
Theoretisch aber haben natürlich auch diese Israeliten immer gewußt,
daß es an anderen Stellen der Erde andere Götter und andere Heilige
Stätten gab. Als sie nun selbst aus der alten Heimat fort in neue
Wohnsitze zögen, muß es ihnen selbstverständlich gewesen sein, daß sie
neben dem alten Stammgott auch die schützenden Götter dieses neuen
Landes verehre!! mußten. Zu einer Ablehnung dieser Götter lag nicht
der geringste Grund vor. Sie kamen als Söldner und Bundesgenossen
der Kanaanäer: warum sollten sie die Götter der Kanaanäer als ihre
Feinde betrachten?
Diese verhältnismäßig freundschaftliche Stellung zu den Kanaanäer»
hat bei den Israeliten wahrscheinlich his hinter 1230 gedauert. Auch
in den Schlachten dieses Jahres standen sie auf seiten der Kanaanäer
gegen die erobernden Aegypter. Die 160 bis 200 Jahre, in denen Jahwe
und die Götter des Landes gleichmäßig und friedlich nebeneinander
verehrt wurden, haben bewirkt, daß auch nach dein Bruch mit den
Kanaanäer» die nun schon durch fünf Generationen befestigte Ge
wohnheit des Kultus auch in die neue Periode der israelitischen Ge
schichte fast unverändert übernommen wurde.
Ja, man darf vielleicht sagen, daß in diesen ersten fünf Generationen
Israels, die aus dein Boden Kanaans lebten, die Jahwe-Verehrnng
gegenüber dein Dienst für die Götter des Landes notwendig zurück
treten mußte. Sie waren die „nahen" Götter, deren Heilige Stätte man
täglich vor Augen hatte. Jahwe ioar der „ferne" Gott, der mehr in
Gedanken und Sitten, als in körperlichen Dingen erlebt wurde.
Es ist eine auffällige Tatsache, daß wir in der nächsten Periode
der israelitischen Geschichte - der ältesten, die wir aus eigenen Zeug