So wird es verständlich, das; im Unterschied von anderen Wüstcn-
Aiminen, die in das Kulturland kamen, Israel den Naiffen des alten
Stammgottes und seine wichtigsten Kultussittcn im Gedächtnis behielt.
Jahwe war schon von je der Gott ihrer Schlachten gewesen. Schon als
der Stamm am Berge Sinai zum ersten Male zu gemeinsamem Leben
zusammentrat, hatte er sich Israel, „El streitet", genannt. Der
Glaube an den kriegerischen Schutz ihres Gottes muß also schon damals
ihrem Bewußtsein am nächsten gelegen haben. Derselbe Glaube ward
nun durch die Erlebnisse im Kulturland von neuem begründet und
ward in einer Gewöhnung von etwa sechs Generationen die Grund
lage ihrer Religion auch für die folgende Zeit. In diesen zwei Jahr
hunderteil hat Jahwe alle anderen Götter des Lairdes aus dem Be
wußtsein der Israeliten verdrängt.
Jahwe, der Gott Kanaans.
In nichts tritt diese Verdrängung so greifbar deutlich zutage,
wie in der Vorstellung, daß Jahwe in Kanaan wohne, daß Kanaan sein
Eigentum, seiil Besitz, sein „Erbteil", sein „Heiliges Land" sei. Diese
Vorstellung ist erst im letzten Jahrhundert vor David entstanden. Das
Debora-Lied kannte sie, wie wir wissen, noch nicht. Aber schon die
Kain-Abel-Sage, die aus dem südlichen Kanaan aus den letzten Jahr
zehnten vor David stammt, hat sie vollständig ausgeprägt enthalten.
Kain wird von Jahwes Angesicht, d. h. von seinen Altären und Heilig-
tümern fort in die Wüste getrieben. Jahwes Laild ist nicht mehr in
der Wüste, Kanaan ist Jahwes Heiliges Land, wo man alleili seiil An
gesicht suchen kann. In den David-Geschichten begegnen diese Aus
drücke immer wieder: man sieht, wie festgewurzelt und selbstverständ
lich diese Vorstellung geworden ist.
Offenbar haben zwei Gedankenreihen zusammengewirkt, diese Um-
denkung in bezug aus Jahwes Wohnsitz herbeizuführen. Jahwe, der
Kriegsgott, war es, der den Israeliten das Land geschenkt hatte, in
dem sie nun wohnten. Er war es, der ihnen Städte gab, die sie nicht
gebaut hatten, Häuser voll allerlei Gut, das sie nicht gesammelt,
Zisternen, die sie ilicht gegraben, Weinberge uild Delgärten, die sie ilicht
gepflanzt hatten; und mm konnten sie sich satt essen an den Gaben,
die er ihnen schenkte! Wie konnten sie da noch weiter all die Gottheiten
denken, die die Kanaanäer sie einst zu verehren gelehrt hatten! Von
Jahwe kam ja der ganze Segen, der sich nun über sie ausgoß. Wenn
Jahwe ihnen dies herrliche Land zum Eigentum gab, mußte es Jahwe
gehören, »nd nicht dem Baal. Im Siege Israels über die kana-
anäischen Städte zeigte sich eben, daß Jahwe und nicht der kanaanäische
Gott der Herr dieses prachtvollen Landes war.
Und dann hatten sie im Kriege dies Land gegen äußere Feinde
zu schützen. Jahwe wars, der sie zum Schutze rief nlld ihnen half.
Jahwe verteidigte seine Heimat gegen die Götter der Wüste. Gerade
diese Kriege gegen auswärtige Feinde mußten es sein, die die Um-
denkung über Jahwes Heimat zum Abschluß brachten. In dem Kamps
Gideons gegen die Midianiter steht der Jahwe ans Kailaail dein
Jahwe vom Sinai direkt gegenüber. Niemand hatte mehr ein Bewußt
sein davon, daß cs ursprünglich dieselbe Gottheit gewesen, die beide
Stämme gemeinsain verehrt hatten. Gerade nach der Midianiterschlacht
und aus dem Golde, das er von den Feiilden gewann, hat Gideon einen
Altar und ein Jahwe-Bildnis gebaut, und hat es genannt: „Jahwe
ist Sieg."