Full text: Die Propheten (6)

So wird es verständlich, das; im Unterschied von anderen Wüstcn- 
Aiminen, die in das Kulturland kamen, Israel den Naiffen des alten 
Stammgottes und seine wichtigsten Kultussittcn im Gedächtnis behielt. 
Jahwe war schon von je der Gott ihrer Schlachten gewesen. Schon als 
der Stamm am Berge Sinai zum ersten Male zu gemeinsamem Leben 
zusammentrat, hatte er sich Israel, „El streitet", genannt. Der 
Glaube an den kriegerischen Schutz ihres Gottes muß also schon damals 
ihrem Bewußtsein am nächsten gelegen haben. Derselbe Glaube ward 
nun durch die Erlebnisse im Kulturland von neuem begründet und 
ward in einer Gewöhnung von etwa sechs Generationen die Grund 
lage ihrer Religion auch für die folgende Zeit. In diesen zwei Jahr 
hunderteil hat Jahwe alle anderen Götter des Lairdes aus dem Be 
wußtsein der Israeliten verdrängt. 
Jahwe, der Gott Kanaans. 
In nichts tritt diese Verdrängung so greifbar deutlich zutage, 
wie in der Vorstellung, daß Jahwe in Kanaan wohne, daß Kanaan sein 
Eigentum, seiil Besitz, sein „Erbteil", sein „Heiliges Land" sei. Diese 
Vorstellung ist erst im letzten Jahrhundert vor David entstanden. Das 
Debora-Lied kannte sie, wie wir wissen, noch nicht. Aber schon die 
Kain-Abel-Sage, die aus dem südlichen Kanaan aus den letzten Jahr 
zehnten vor David stammt, hat sie vollständig ausgeprägt enthalten. 
Kain wird von Jahwes Angesicht, d. h. von seinen Altären und Heilig- 
tümern fort in die Wüste getrieben. Jahwes Laild ist nicht mehr in 
der Wüste, Kanaan ist Jahwes Heiliges Land, wo man alleili seiil An 
gesicht suchen kann. In den David-Geschichten begegnen diese Aus 
drücke immer wieder: man sieht, wie festgewurzelt und selbstverständ 
lich diese Vorstellung geworden ist. 
Offenbar haben zwei Gedankenreihen zusammengewirkt, diese Um- 
denkung in bezug aus Jahwes Wohnsitz herbeizuführen. Jahwe, der 
Kriegsgott, war es, der den Israeliten das Land geschenkt hatte, in 
dem sie nun wohnten. Er war es, der ihnen Städte gab, die sie nicht 
gebaut hatten, Häuser voll allerlei Gut, das sie nicht gesammelt, 
Zisternen, die sie ilicht gegraben, Weinberge uild Delgärten, die sie ilicht 
gepflanzt hatten; und mm konnten sie sich satt essen an den Gaben, 
die er ihnen schenkte! Wie konnten sie da noch weiter all die Gottheiten 
denken, die die Kanaanäer sie einst zu verehren gelehrt hatten! Von 
Jahwe kam ja der ganze Segen, der sich nun über sie ausgoß. Wenn 
Jahwe ihnen dies herrliche Land zum Eigentum gab, mußte es Jahwe 
gehören, »nd nicht dem Baal. Im Siege Israels über die kana- 
anäischen Städte zeigte sich eben, daß Jahwe und nicht der kanaanäische 
Gott der Herr dieses prachtvollen Landes war. 
Und dann hatten sie im Kriege dies Land gegen äußere Feinde 
zu schützen. Jahwe wars, der sie zum Schutze rief nlld ihnen half. 
Jahwe verteidigte seine Heimat gegen die Götter der Wüste. Gerade 
diese Kriege gegen auswärtige Feinde mußten es sein, die die Um- 
denkung über Jahwes Heimat zum Abschluß brachten. In dem Kamps 
Gideons gegen die Midianiter steht der Jahwe ans Kailaail dein 
Jahwe vom Sinai direkt gegenüber. Niemand hatte mehr ein Bewußt 
sein davon, daß cs ursprünglich dieselbe Gottheit gewesen, die beide 
Stämme gemeinsain verehrt hatten. Gerade nach der Midianiterschlacht 
und aus dem Golde, das er von den Feiilden gewann, hat Gideon einen 
Altar und ein Jahwe-Bildnis gebaut, und hat es genannt: „Jahwe 
ist Sieg."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.