Alt-Israel
Bauernreligion.
In einer Art ist die israelitische Religion eine der konservativsten
-gewesen, die wir überhaupt kennen. Das Volt hat seine ursprünglichen
Wohnsitze verlassen, ist gewandert, hat eine neue Heimat gefunden, ist
zu einer neuen wirtschaftlichen Kultur übergegangen und hat trotz alle
dem den uralten Namen seines ersten Gottes nicht vergessen, hat die in
der Wüste übernommenen Sitten und Gebräuche (Beschneidung, Opfer.
Passah, Speisegebote. Sabbat- und Neumondtag) auch im Kulturland
behaltet: und hat der Versuchung schließlich doch widerstanden, modernere
Götter an die Stelle des altüberkommenen treten zu lassen.
Aber diese Erhaltung des Alten trifft nur die Form, in der die
Religion erscheint. In ihrem inneren Leben, in der Stimmung, der
Phantasie, dem Glauben, der hinter den äußeren Formeln- lebt und sich
in ihnen ausdrückt, ist auch die israelitische, wie jede andere Religion,
dem Wechsel der allgemeinen Kulturzustände regelmäßig gefolgt. Der
alte Gottesname und die uralten Bräuche erhielten im Kulturland
einen durchaus neuen Sinn. Die Religion zeltender Hirten ist zuui
Glauben städtebewohnender Bauern geworden.
Am stärksten prägt sich das in der Vorstellung aus, die man vom
Wesen des Stammgottes selber gewannst Jahwe, in der ursprünglichen
Bedeutung des Wortes „der Lodernde", der in der Feuerslamme er
scheint und darum im Bilde nicht darstellbar ist, wird seit dem elften
Jahrhundert im Stierbild verehrt! Nicht nur, daß man das Stierbild
des uralten El Schaddaj von Bethel als Jahwe-Bild 31t verstehen be
gann. Man baute nach seinem Muster auch neue „Goldenen Kälber",
d. h. Stierbilder aus Holz mit eineni lleberzug von Goldblech, in denen
man Jahwe verehrte. Eins dieser Art stand im Jahwe-Tempel in Dan:
ein anderes ließ Gideon in seiner Vaterstadt Ophra aufstellen, um
Jahwe für den Sieg über die Midianiter zu Preisen (um 1060 vor
Christus). Selbst die Jahwe-Priester in Silo, die den Kastei: Jahwes
zu hüten hatten, erscheinen später in: Besitz eines goldenen Jahwe-
Bildes: da sie nach der Zerstörung Silos durch die Philister kaum in
der Lage gewesen sein werden, ein goldenes Gottesbild zu bezahlen, so
muß auch dieses aus der Zeit vor ungefähr 1030 stammen. Andere
Bildnisse dieser Art haben sich sogar wohlhabende Privatleute bauen
lassen. (Richter 17.)
Auch den anderen Ueberlieferungen aus der Wüste ging es incht
anders. Der Blutzauber in der Beschneidung verlor den alten Sinn:
die Beschneidung ward zur Sitte, die den Israeliten von seiner Um
gebung, sowohl vom Kanaanäer wie von: Philister unterschied. Man
gewöhnte sich bald, sic nicht mehr am niannbaren Jüngling, sondern an:
neugeborenen.Kind zu vollziehen. Das Tieropser ward nach wie vor
Biblisch«? Geschichten. V!. 2