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Oder dir drei Helden, die sich durch dir Philister durchschlugen, Wasser-
aus einem Brunnen irr Bethlehem holten und es durch alle Feinde hin
durch nnverschiittet zu David brachten. (2. Samuclis 23.) Solche und
ähnliche Taten sind natürlich einstmals im Liede gefeiert worden; es
werden Lieder gewesen sein, die im Kreise dieser verwegenen Schar
selber entstanden sind. Sie alle reden von Jahwes Segen und Beistand.
Aber der Segen wirkt nicht mehr direkt, sondern mittelbar durch natür
liche und rein menschliche Eigenschaften der Helden. Jahwe „schafft
Sieg"; aber er kämpft nicht mehr selber mit wie in älteren Zeiten.
Natürlich hat man neben diesen neumodischen Liedern auch die
altertümlichen Jahwe-Hymnen weiter gesungen: sonst könnten wir nichts
von ihnen wissen. Ja, inan hat sie sogar gesammelt und in Bücher zu
sammengeschrieben. Wir wissen Don einem „Buch des Wackeren" und
von einem „Buch der Schlachten Jahwes", die in den späteren Geschichts
büchern zitiert werden, sie müssen etwa in dem Jahrhundert nach
David entstanden sein und haben eben jene alten Jahwe-Kriegslieder
enthalten. Aber gerade daß man sie sammelte und niederschrieb, beweist,
daß sie im ivirklichen Leben erstorben waren. Man war literarisch ge
worden und sammelte die alten Lieder aus literarischem Interesse. Das
zeigt, wie weit man selbst schon über die Stufe des geistigen Lebens
hinaus war, die sich in diesen Liedern ausgeprägt hatte.
Man hätte wohl kaum ein Interesse an diesen Sammlungen gehabt,
ivenn nicht längst auch die Geschichtschreibung im eigentlichen Sinne
des Wortes aufgeblüht wäre. Es ist eine der merkwürdigsten Tatsachen
der israelitischen Literaturgeschichte, daß alle gute unb echte, das heißt
natürliche Geschichtschreibung relativ alt ist, während gerade die
jüngeren Ueberarbeitungen sich in Phantastik, Wundern- und übernatür
lichen Kräften nicht genug tun können. Stücke wie die über die Re
gierung des Abimelech (Richter 9) oder über Abjaloms Aufstand gegen
David (2. Samuelis 15—19) oder über Davids Tod unb Salomos
Thronbesteigung (1. Könige 1—2) zählt ein Kenner wie Eduard Meyer
zu den besten Abschnitten orientalischer Geschichtschreibung überhaupt
und stellt sie unbedenklich den besten Schriftstellern der Griechen
zur Seite. Gerade diese natürlichen und gut unterrichteten Dar
stellungen aber können nicht weit von der Zeit abstehen, über die sie
handeln. Spätestens im Zeitalter Salomos, wenn nicht zum Teil
schon erheblich früher, müssen sie niedergeschrieben sein. Sie zeigen am
besten, welche Höhe rein natürlichen, der Wirklichkeit und den echten
Charakteren wirklicher Menschen zugewandten Denkens man damals
schon Erklommen hatte.
Freilich wird man annehuieu dürfen, daß -diese Geschichtsliteratur
nur ein Erzeugnis kleiner und hochgebildeter Kreise war. Dir große
Masse hat die alte phantastisch-übernatürliche Betrachtung des Welt-
verlaufs natürlich nicht so rasch und überhaupt wohl nie völlig ver
loren. Aber auch sie hat sehr rasch und gründlich die eigentlich mythischen
Bestandteile der Gottesvorstellung verloren.
Wir wissen von früher her, daß in den ersten Jahrhunderten der
israelitischen Niederlassung in Kanaan babylonische Mythen in Israel
eingedrungen sind, und daß man insonderheit den großen Drachenkamps
des Marduk auch von Jahwe erzählt hat. Wir haben in der israeli
tischen und jüdischen Dichtung noch eine Fülle von Anspielungen oder
Zitaten aus einem mächtigen Hyninus, der Jahwes Sieg über das
Urmeer besang. Aber dort, wo diese Geschichte recht eigentlich hätte
erzählt werden müssen, in der Schöpfungsgeschichte selbst, ist sie bis zur