Opposition
Proletarisierung.
Zweimal hat das Volk Israel in seiner Geschichte eine rasche und
starke Vermehrung seiner Bevölkerung erlebt, zuerst m dem Jahrhundert
hinter der Ansiedelung, dann in den friedlichen Jahrzehnten, in denen
David, Salomo und ihre nächsten Nachfolger herrschten. Die erste Ver
mehrung hat aus dem Beduineustamm ein Volk werden lassen: Kolonien
wurden vom Gebirge Ephraim aus in alle umliegenden Teile des
Landes gesandt. Schließlich sind sie sogar in die Gegenden östlich des
Jordans gedrungen. Die späteren israelitischen Stämme sind, wie wir
wissen, aus solchen alten Banernkolonicn entstanden. So ist die erste
Welle der Vermehrung ein fast ungetrübtes Glück für das Volk und
eine Quelle der Kraft gewesen.
Von der zweiten kann man das nicht ebenso uneingeschränkt sagen.
Das Land war vergeben. Neue Kolonien sind nach der Zeit Davids
nicht mehr ausgesandt wordein Auf demselben Areal hatie nun eine
größer gewordene Menschenzahl Nahrung zu finden. Wie immer, führte
das auch hier zur stärkeren Intensität in der Nutzung des Bodens.
Die alte Zeit hatte, so scheint es, nur das Familieneigentum an
Grund und Boden gekannt. Kinder und Kindeskinder waren da wohl
zunächst unter dem Vater, dann unter dem ältesten Sohn, in einheit
lichem Haushalt auf demselben großen Gute zusammengeblieben. Seit
David und Salomo macht Zieh eine Aenderung bemerkbar. Nach dem
Tode des Vaters teilen die Söhne das Gut, und zwar zu gleichen Teilen,
nur daß der Aelteste den doppelten Anteil erhält. Die alte Familien
gemeinschaft löst sich auf, die moderne Kleinfamilie tritt an ihre Stelle.
Und wie überall, führte auch hier die Freiteilbarkeit zu einer raschen
Verkleinerung manches Besitzes, während anderer durch seltenen Erbgang
oder neue Zusammenlegung die alte Größe behielt. Zum ersten Male
entwickelte'sich so ein deutlicher Unterschied der Besitzklassen; es entstanden
Parzellengüter, die schon kaum mehr genügten, eine Familie selbständig
zu ernähren, und Großbesitzer, die im Dorf und in der Stadt die
ganze Gewalt in die Hand bekamen. Zum erstenmal hören wir in der
Mitte des neunten Jahrhunderts von armen Witwen und schutzlosen
Waisen. Die Großfamilic, in deren Schutz sie bis dahin gelebt hatten,,
existierte also nicht mehr.
Es kam eine andere Entwickelung hinzu, diesen Unterschied in den
Besitzverhältnissen noch fühlbarer zu machen. Das Königtum trieb das
Volk in die Geldwirtschaft hinein. Gcrichtsbußen und Steuern wurden
immer mehr in bar ui Gelde gefordert. Der königliche Handel öffnete
das Land dem auswärtigen Verkehr. Der phönizische und aramäische
Kaufmann kam in die israelitischen Städte. Das Angebot fremder
Ware rief die Nachfrage, rief steigende Bedürfnisse und steigenden Luxus
hervor. Und forderte wieder bares Geld zu dessen Beschaffung. Im