Anfang des nennten Whrhunderts erkämpfte der König von Damaskus
das Recht, ein aramäisches Quartier m Samaria, der Hauptstadt von
Israel, zu errichten. Nach einem glücklichen Kriege erstritt Ahab von
Israel dasselbe Recht auch für israelitische Kaufleute in Damaskus,
(l. Könige 20, 34.) Das mag ungefähr um 860 v. Chr. gewesen sein.
Ma>i sieht, wie stark seit Salomo die Geldwirtschaft sich im Lande
entwickelt hatte.
Wie immer, so hob die Geldwirtschaft auch hier deil, der etwas
hatte, nild stieß den Schwachen ganz ins Elend hinab. Verschuldung,
Schuldsklaverei, Tagelöhnerarbeit und Landverlust treten auf. Tie
ältesten Gesetze, die diese Verhältnisse regeln, sind noch inl nennten Jahr
hundert entstanden.
Wie diese soziale Wandlung auf die Religion gewirkt hat, haben
wir früher an der Paradiesgeschichte gesehen. Sie zeigt den Wandel
der Stimmung in kleinbäuerlichen Kreisen. Der Jubel, mit dem inan
einst die „Fettgefilde der Erde" begrüßt hatte, ist verklungen. Man
fühlt nicht mehr den Segen, sonder» den Finch Jahwes auf den: Acker
ruhen. Man träumt von der unwiederbringlich verlorenen Zeit, wo der
Gottesgarten ans Erden stand, wo man Wasser in Fülle hatte und von
Baumfrüchten lebte, die keine schwierige Arbeit^ brauchrien. Und man
ärgert sich über den steinigen Acker, den sauren Schweiß und die ewigen
Dornen und Disteln. Man steht unter dem Bann einer ewig erfolg
losen Arbeit und fühlt auf einmal alle die Alltagsmühen, an die man
ehedem gar nicht gedacht hatte.
DaS Weib war für die altisraelitische Schöpfungsgeschichte die
Krone der Schöpfung gewesen-, in der Liebesumarmung von Mann und
Weib gipfelt ihr ganzer Jubel. Für den Paradiesdichter ist das Weib
der Anfang des Elends: sie ist schuld, daß der Gottesgarten verloren
ging! Und sie ist es, die trotz aller Schmerzen das rätselhafte Perlangen
hat, immer neue Kinder zu empfangen. Tie Uebervölkerung und das
Elend der kinderreichen Familie liegen dem Dichter schwer ans der Seele.
Es ist nicht Segen und Jubel, es ist der Fluch, der zu immer neuer
Licbesnmarmnng treibt. Im Paradies lebte man wie die Kinder:
man war nackt und merkte es nicht!
Und in der ganzen Grämlichkeit dieser Stiinmüng taucht ein ur
alter Gedanke auf, der Jahrhunderte hindurch anscheinend geschlafen
hatte: der dunkle, launische, neidische Gott! Jahwe wollte nicht, daß
die Menschen unsterblich und weise würden wie er! Er war eifersüchtig
auf seinen Vorrang bedacht: und er hat dafür gesorgt, daß der Abstand
zwischen sich und den Menschen gewahrt blieb! Das waren uralte
Melodien in neuer Tonart, ein Grundgedanke, der von nun an durch
alle Formten- der proletarischen Religion hindurchgehen sollte.
Aber der Dichter weiß noch keine Rettung. Noch ist es ihni un
angetastet, daß der Normalmensch Bauer ist lind nichts anderes. Ein
soziales Ideal, das er der lähmenden Wirklichkeit entgegenzustellen
vermöchte, hat er noch nicht, noch weniger eine Hoffnung, daß es in
irgendwelcher Zukunft anders sein könnte. Sein Trost ist der Wein,
den Jahwe von eben dem Acker hat wachsen lassen, den er vorher
verflucht hatte: der Wein gibt uns Ruhe und Trost und macht das'
Elend erträglich. Damit zeigt der Dichter, daß er noch ganz im Anfang
der hier zu schildernden Entwickelung steht. Er mag schon in den.nächsten
Jahrzehnten nach Salomo seine Dichtung niedergeschrieben oder gesungen
haben.