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noch gezaudert oder den Zaudernden wenigstens noch gespielt hatte, mit
durchgreifender Energie die Revolution in die Hand genommen.
Die Entthronung des bisherigen Königs geschah mit der wilden
Grausamkeit, die bei alten Völkern in solchem Falle üblich war. Der
König selbst ward von Jehu erschossen und seine Leiche den Hunden
zum Fraß auf das Grundstück des Nabot geworfen. Die Königin-
Mutter Jsebel ward auf Jehus Geheiß aus dem Fenster gestürzt und
ihr Leib von Rossen zerstampft. 70 Kinder des Ahab, die noch im heran
wachsenden Alter standen, wurden einzeln getötet und ihre Köpfe in:
Palast aufgesteckt. Priester und Gläubige des Baal in Mamaria wurden
in den Tempel gelockt und sämtlich erschlagen. Der Tempel selbst ward
niedergerissen, der Altar zertrümmert, die Götterbilder verbrannt; auf
dem Grundstück aber wurden, um es noch gründlicher zu entweihen, Ab
orte angelegt: „Die sind dort zu sehen bis auf den heutigen Tag". Mit
diesem Satze schließt der Bericht.
Schon aus dieser Zerstörung des Tempels folgt, daß der Kampf
gegen den fremden Gott, den Ahab eingeführt hatte, für Jehu die Parole
des Aufstandes war. Auch dem König gegenüber hatte er sofort auf die
Abgötterei und Zauberei seiner Mutter Isabel verwiesen, die entfernt
werden sollten. Außerdem aber zeigt die ausdrückliche Bezugnahme- auf
die Nabot-Gefchichte und den Fluch des Elia, daß er auch die Sympathien
der unter Ahab bedrohten Kleinbauern gewinnen wollte. So stark ist
die Opposition mit ihren sozialen und religiösen Gedanken schon ein
halbes Menschenalter nach Ahabs Tode gewesen, daß sie die Unterlage
für eine Palastrevolution zu geben vermochte. Elisa, der Erbe Elias,
scheint in der Bevölkerung eine wirkliche Macht zu repräsentieren.
Das Hirten-Ideal.
Wie stark zu dieser Zeit die soziale Spannung in der Bevölkerung
war, und wie sehr man in den unteren Klassen bereits ein klares Be
wußtsein über die eigene Lage besaß, dafür haben wir gerade in der Re
volution des Jehu noch ein anderes Zeugnis. In dein Bericht heißt es:
Als Jehu nach der Stadt Samaria kam, da traf er Jonadab, den Sohn
des Rekab. Er fragte ihn: Hältst du es mit mir wie ich mit dir? Und
auf die bejahende Antwort nahm er ihn zu sich auf seinen Wagen und
sprach: Komm mit mir, so sollst du sehen; wie ich für Jahwe eifere.
Von diesem Jonadab wissen wir, daß er eine Sekte gestiftet hat, die
noch zur Zeit des Propheten Jeremia bestand. Als ihre Grundsätze
haben die Rekabiten dem Jeremia folgende Lehren genannt: „Jonadab,
der Sohn des Rekab, unser Vater, hat uns also befohlen: Nicht sollt ihr
Wein trinken, weder ihr noch eure Kinder, in alle Ewigkeit. Und ein
Haus sollt ihr nicht bauen, und Samen sollt ihr nicht säen und einen
Weinberg sollt ihr nicht pflanzen und keinen besitzen. Sondern in Zelten
sollt ihr wohnen alle eure Tage, damit ihr langes Leben habt in dem
Lande, in dem ihr als Beisassen wohnt." (Jeremia 35, 6—10.)
Das war das Programm, für das Jonadab, der Rekabit, damals in
Samaria warb. Es zeigt eine bewußte Ablehnung des Ackerbaues und
seiner Produkte und der ganzen Lebensweise, die mit ihm zusammen
hängt. Jahwe ist der Gott der Hirten! Wie er einst in der Kain-Abel-
Geschichte das Opfer des Hirten vor dem des Bauern bevorzugt hatte,
so fordert er noch heute, daß die, die wirklich seine Anhänger sein wollen,
in Hirtenweise leben. Nicht mehr gilt Jahwe als Geber von Korn