überzuMllen, um zu erkennen, wie stark trotz Mes Weizens und Weins
die Phantasie der Judäer dauernd durch das Hirtenleben bestimm:
war. Dem Israeliten Gideon erscheint im Traum Israel als der
Gerstenbrotkuchen, der die Zelte der Midianiter umstürzt; der Judäer
dichtete auch nach seiner Ansiedlung die Sagen von Jakob, dein Hirte».
Gideon klopfte seines Vaters Weizen, als er berufen ward, für Jahwe
und Israel zu kämpfen; Saul brachte seines Vaters Ochsen vom Felde
heim oder ging, seines Vaters Eselinnen zu suchen. Der junge David
aber weidete für seinen Vater die Schafe und Ziegen im Gebirge und
kämpfte mit Löwen und Bären. Das Verbrechen Ahabs war die Ent
eignung des Bauern Rabat. In der judäischen Parallelgeschichte über
David braucht der Prophet Nathan das Beispiel von dein Mann, der
hundert Schafe besaß und nahiii doch das des Armen, der nur dieses
eine sein eigen nannte. In dem Unterschied der Sagen spiegelt sich die
Verschiedenheit der sozialen Zustände in Juda und Israel wider.
Dieselben Zustände, wie im südlichen Juda, haben aber auch im
Ostjordanland bestanden. Auch hier ist der unansässige Hirt zwischen
den Bauern niemals völlig verschwunden. Und in dieser Gegend, in
Thisbe in Gilead, ist Elia geboren. Die beiden ältesten Wortführer
und Vorkämpfer der unteren Klassen sind also aus Gegenden gekommen,
in denen der schweifende Hirt, der stolz auf den ackerbcbauenden Bauern
herabblickte, noch täglich zu sehen war. Sowohl Elia aus Thisbe aus
dem Ostjordanland wie Jonadab, der Kainit, aus den: südlichen Juda
waren nicht in Zuständen aufgewachsen, in denen die bäuerliche Kultur
eine Selbstverständlichkeit war. Ans sich selbst heraus hätten jene israe
litischen Kleinbauern, denen der „Mensch," gleichbedeutend mit Bauer
war, vielleicht kein neues soziales Ideal zu entfalten vermocht. Wohl
aber waren sie fähig, das ihnen von außen zugetragene Ideal deS
Hirtenlebens und damit des altertümlichen Jahwe-Glaubens zu fassen,
das ja auch ihrer eigenen Vergangenheit entsprach.
In dieser Ausbildung eines neuen sozialen Ideals liegt die große
Bedeutung begründet, die vornehmlich die südstämnie ans dem Land
Juda für die israelitische Religionsgeschichte erlangten. Niemals ent
steht ja eine bewußte soziale Bewegung nur aus dem sozialen Elend und
Druck an sich, in dem die Leute leben. Dann niüßte jeweils das größte
Elend die stärkste Energie der Gegenbewegung ergeben, eine Folgerung,
die durch die Erfahrung aller Jahrhunderte widerlegt wird. Erst wenn
zu dem sozialen Elend an sich das Bewußtsein hinzukommt, daß es nicht
so fein dürfte, nicht so zu sein brauchte, erst dann entsteht aus Elend
und Not eine neue geschichtliche Kraft. Das war das Große an Jonadab
und Elia, daß sie den versinkenden Kleinbauern ein anderes Ideal
zeigen konnten, und daß daraus erst die bewußte Opposition, das be
wußte Umdenken aller gegebenen Gedanken entsprang.
Die Frömmigkeit der Geduld.
Der glückliche Zufall, der uns jene Notiz über Jonadab ben Rekab
erhielt, hilft uns auch andere Tatsachen zu verstehen, die wir ohne daS
eben nur als Tatsachen hätten hinnehmen müssen. Er zeigt, wie durch
persönliche Vermittelung einzelner führender Männer die Anschauungen
der Stämme aus deni Süden Judas auch im Kleinbauerntum von
Israel Einfluß gewannen. Und das ist eben das. was wir für die Ge-