Full text: Die Propheten (6)

und denkbar ist, ist fast regelmäßig in der Geschichte das Sehnen der 
Mühseligen und Beladenen in die himmlische Illusion geflüchtet. 
Wie stark man in diesen Kreisen die Enttäuschung empfand, zeigt 
auch eine Stelle ans den großen Elia-Gedichten, über die wir später 
noch ausführlicher sprechen müssen. Der Held sitzt am Gottesberg 
Horeb, zum Sterben müde und verzagt. Ta erscheint ihm Jahwe in 
eigener Person. Aber nicht im Gewitter und Sturm, wie die alt 
israelitische Vorstellung ihn gedacht hatte. Es-kam wohl ein sturm: 
„ein gewaltiger, heftiger Sturm, der Berge spaltete und Felsen bersten 
ließ: Jahwe war nicht in dem Sturm! Und nach dem Sturm kmn 
eil: Erdbeben: Jahwe war nicht in dem Erdbeben. Und nach dem Erd 
beben tan: ein Feuer: Jahwe war nicht in den: Feuer. U::d nach den: 
Feuer kam ein leises sanftes Säuseln" — und erst in diesem Säuseln 
kan: Jahwe! Der Sturm hatte weder bei Elia noch bei Elisa genützt: 
so zog sich die Frömmigkeit auf das stille,, sanfte Säuseln des duldenden 
Glaubens zurück. 
Die lewitischen Priester. 
Aus den der Wüste i:och nahestehenden Kreisen der Südstämme 
waren den israelitischen Kleinbauern und Tagelöhnern das soziale Jdegl 
und die religiöse Grundstimmung gekommen. Aus den Südstämmen 
kamen aber auch die Priester, die im weiteren Verlauf der Bewegung 
den verhälignisvollsten Einfluß auf sie gewinnen sollten. 
Wir haben über die Geschichte der lewitischen Priester früher bereits 
ausführlich gesprochen, haben hier also fast nur früher Gesagtes kurz- 
zufainmenfassend zu wiederholen. . Ursprünglich war der Stamm 
Lewi eine Völkerschaft wie Inda oder Kain oder Israel auch, zeltend 
in der Oase Kodes in der Wüste südlich von Kanaan.. Aber er war 
scha:: in vorgeschichtlicher Zeit zugrunde gegangen, und seine Trünnner 
hatten sich in Juda verloren. Nur seine Priester hatten den Zusammen 
bruch überdauert und hatten bei den Nachbarstämmen Unterkunft ge 
funden. Sie waren es schon früher gewesen, die allen um die Oase 
Kodes schweifenden Hirtevstämnien gemeinsam als die Hausverwalter 
Jahwes in seinen: Heiligen Bezirk erschienen waren: sie behieltei: die 
Geltung als besonders Jahwc-knndige und Jahwe-befrenndete Priester 
auch nach dem Untergang ihres Stammes, so wurden sie eine Berufs 
genossenschaft wandernder Priester, die sich untcreiimndcr als zusammen 
gehörig empfanden, deren einzelne Angehörige aber an ihren: jeweiligen 
Wohnsitz sippenlose Beisassen waren. In: alten Israel waren sie der 
erste Bernfsstand, der wenigstens zum Teil mit barem Gelde entlohnt 
ward. 
Schon vor Salil liat es lewitische Priester an mehreren Hanptheilig- 
tllmern des israelitischen Volkes gegeben: in Tan, in: äußersten Norden, 
und in Silo, wo der Kasten Jahwes stand, sind sie bezeugt. An beiden 
Stellen haben sie die Verehrung Jahwes in: Stierbild vorgefunden 
und mitgemacht. Ein Unterschied zwischen ihnen und anderen Priester 
sippen trat noch nicht hervor. Nur daß man sie eben als besonders 
zuverlässige Bürgen für Jahwes Segen betrachtete: „Jetzt weiß ich, daß 
JÄhwe mir gnädig ist, seit ich den Lewsten zum Priester habe." (Richter 
17, 10.) 
Das änderte sich, als nach Salomos Tod unter der Führung des 
Jerobean: Israel sich von Juda losriß und sich wieder als eigener Staat 
konstituierte. Wie Salomo den königlichen Tempel auf dein Zion ge-
	        
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