Full text: Die Propheten (6)

Die großen Propheten 
Amos. 
Im Jahre 763 vor Christus prallte die proletarische Bewegung in 
neuer gewaltiger Explosion mit den herrschenden Mächten zusammen. 
Die Zeit läßt sich hier einmal besonders genau bestimmen, da es zwei 
Jahre vor einein Erdbeben und einer Sonnenfinsternis war (Ainos 1, 
1; 8, 8. 9), an die man sich noch lange erinnert hat, und die von 
Astrottomen ans den l3. Juni 763 berechnet worden ist. Es ioar ein 
Zusammenstoß, Uniich dem des Elia mit Ahab ans dem Grundstück des 
Nabot; aber'der Fortschritt der Zeiten zeigt sich deutlich, sowohl in der 
Wirkung als namentlich in der Tatsache, daß wir hier, und hier zürn 
ersten Male in der israelitischen Literatur, einen authentischen Bericht 
des Haiiptbeteiligteii selbst über den Vorgang haben. 
Ani Heiligtum zu Bethel ist Festversammlung und Opfer gewesen. 
Aber »litten in deli Jubel der Harfen, Pauken, Zithern und Lieder 
hinein hatte ein Mann das furchtbare Wort geschleudert: „Es sollen die 
Altäre auf den Hügeln Isaaks zerstört, es sollen die Heiligtümer Israels 
zur Wüste werden. Ich, Jahwe, erhebe mich wider das Haus Jero- 
beams ides derzeitigen Königs von Israel) mit dem Schwert! Jero- 
beain, der König, soll durch das Schwert fallen, und Israel, das Volk, 
soll aus Kanaan fort in die Verbannung gehen." 
Es kann nicht das erstemal gewesen sein, daß Amos am Heiligtum 
JahweS also sprach. Aber es muß das schärfste Wort gewesen sein, das 
er gebraucht hat. Jedenfalls schritt in diesem Falle der Oberpriester 
des Heiligtums, Amasja, gegen den Redner ein. Er hielt die Sache für- 
wichtig genug, dem König zu melden: s,Ämos stiftet wider dich eine 
Verschwörung an mitten im Hanse Israel. Das Land vermag seine 
Wprte nicht mehr zu ertragen." Die Botschaft beweist, welch zündende 
Kraft deS Amos Fluch in der Masse der Zuhörer gehabt haben muß. 
Die Entscheidung des Königs lautete auf Verbannung aus Israel. 
Der Oberpriester tritt Amos entgegen und verweist ihn des Landes: 
„Dil, Seher, auf, fliehe nach Juda: erwirb dir dort dein Brot durch 
Auftreten als Prophet. Hier in Bethel darfst du nicht länger als 
Prophet sprechen: denn dies ist ein Heiligtum des Königs ilnd ein 
Reichstempel! Hier darfst dil nicht gegen Israel prophezeien und 
darfst nicht predigen gegen das Haus Isaak." 
Die Antwort, die Amos dem Beamten des Königs gab, zeigt deil 
Mann erst in seiner ganzen Größe. „Ich bin kein Prophet lind gehöre 
zu keiner Prophetensippe, sondern ich lebe als Schafhirt und als Tage 
löhner, der die Maulbeerfeige anritzt. Aber Jahwe war cs, der mich 
hinter der Herde wegholte und zu mir sprach: Gehe hin, tritt gegen mein 
Volk Israel als Prophet ans." Und er vergilt dem Priester die Landes-
	        
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