Full text: Die Propheten (6)

— 51 — 
•t* 
(7, 11—13; 5, 13.) Die Drohung ist rein phantastisch, ohne Beziehung 
auf eine wirklich vorhandene Gefahr, rein dogmatisches Nachreden dessen, 
>vas Amos früher sehr realistisch gesagt hatte. Aber der Gedanke im 
ganzen ist echter Priestergedanke: Treue gegen Jahwe, das heisst: rich 
tiger Kultus Hilst aus allen Gefahren! Die Mauern von Jericho fielen 
durch die Posaunen der Priester, hatte früher der Elohist geschrieben. 
Hier wird derselbe Gedanke zur Norm für aktuelle Politik. 
Ein Anklang an Leu Elohisten ist es auch, wenn wir bei Hosea lesen, 
daß all die frevelhafte Gewalttat, über die Anios geklagt hat, eine Folge 
des falschen Kultus sei. „Schwur und Lüge, Mord, Diebstahl und Ehe 
bruch! Sie üben Gewalttat, und Blutschuld reiht sich an Blutschuld.... 
Aber es soll niemand rechten, und es darf niemand tadeln; denn das 
Volk ist wie seine Priester!" Die Priester (die nichtlewitischen natür 
lich!) haben dem Volk falsche Gotteserkenntnis, falsche Opfer und frevel 
hafte Unzucht gelehrt. Die sind schuld an dem ganzen Unglück! Die 
Korrektur, die hier deutlich au Anios vollzogen wird, ist eben ganz die 
Priester-Demagogie: sorgt sür richtigen Kultus; nachher kommt Frncht- 
barkeit, Friede und Wohlstand von selbst! „Bedrückung und Rcchts- 
brnch treibt Ephraim; denn es beliebt ihm, hinter seinen Götzen her 
zulaufen." (6, 11.) In diesem Denn steckt die ganze Logik des 
Priesters. 
So ist denn schließlich auch die ganze Zukunfts-Weissagung des 
Hosea durch diese Priester- und Kultusgedanken bestimmt. Das Volk soll 
in die Verbannung wandern, aber nicht in fernes Land, von den Assyrern 
verpflanzt, sondern in die benachbarte Wüste, von Jahwe selber geführt. 
Tort sind sie fern von den Altären, an denen der abtrünnige Kultus 
galt; die Opfer für die „Baale" finden dort ihr natürliches Ende. Dann 
wird das Volk sich wieder an die Brautzeit erinnern, an die Zeit der 
ersten Liebe, wo es Jahwe in der Wüste fand. Und Liebe und Treue 
zu Jahwe werden dann herrschen. Und dann ■— das ist und 
Hauptsache des ganzen Gedankenganges —, dann wird Jahwe das 
ganze Volk wieder ins Land Kanaan bringen; und Pest und Schwert 
und Krieg wird er vernichten, und sie werden in Sicherheit leben ans 
Ewigkeit, in Recht und Gerechtigkeit untereinander und in Liebe und 
Treue zu Jahwe. (Hosea 2.) Wie die Strafe, so ist auch die Erlösung 
völlig phantastisch und ohne Anknüpfung an irgendein wirkliches Er 
lebnis gedacht. 
Hosea ist der erste, der ein solches Zukunftsgemälde in leuchtenden 
Farben gemalt hat. Dem herben Sinn des unerbittlichen Amos hatte 
diese versöhnende Schlußperspektive völlig gefehlt. Aber es ist leicht zu 
begreifen, daß in einer Masse verzweifelnder und wenig gebildeter 
Mensche» gerade diese Zukunftsverheißung am mächtigsten wirken 
mußte. Sie entsprach zu sehr den Sehnsüchten der Schwachen, die sich 
im wirklichen Leben nicht helfen konnten, und die deshalb einen 
Glaubenssatz daraus machten, daß jede Selbsthilfe verpönt sei, daß man 
nur hoffen und harren müsse, bis Jahwe die übernatürliche Hilfe und 
das übernatürliche Glück endlich herabsenden werde. An sich ist dieser 
Gedanke noch keine Verfälschung der proletarischen Instinkte bei Leuten, 
die sich im wirklichen Leben nun einmal nicht helfen können. Aber er 
wird zur Verfälschung und damit zur Demagogie im üblen Sinne des 
Wortes, wenn nun der Priester kommt und die Armen lehrt, der richtige 
Kultus sei das einzige, aber auch das absolut sichere Mittel, die Gnade 
Gottes und damit die herrliche Zukunft zu gewinnen. Und gerade das 
ist die Logik des Hosea gewesen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.