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(7, 11—13; 5, 13.) Die Drohung ist rein phantastisch, ohne Beziehung
auf eine wirklich vorhandene Gefahr, rein dogmatisches Nachreden dessen,
>vas Amos früher sehr realistisch gesagt hatte. Aber der Gedanke im
ganzen ist echter Priestergedanke: Treue gegen Jahwe, das heisst: rich
tiger Kultus Hilst aus allen Gefahren! Die Mauern von Jericho fielen
durch die Posaunen der Priester, hatte früher der Elohist geschrieben.
Hier wird derselbe Gedanke zur Norm für aktuelle Politik.
Ein Anklang an Leu Elohisten ist es auch, wenn wir bei Hosea lesen,
daß all die frevelhafte Gewalttat, über die Anios geklagt hat, eine Folge
des falschen Kultus sei. „Schwur und Lüge, Mord, Diebstahl und Ehe
bruch! Sie üben Gewalttat, und Blutschuld reiht sich an Blutschuld....
Aber es soll niemand rechten, und es darf niemand tadeln; denn das
Volk ist wie seine Priester!" Die Priester (die nichtlewitischen natür
lich!) haben dem Volk falsche Gotteserkenntnis, falsche Opfer und frevel
hafte Unzucht gelehrt. Die sind schuld an dem ganzen Unglück! Die
Korrektur, die hier deutlich au Anios vollzogen wird, ist eben ganz die
Priester-Demagogie: sorgt sür richtigen Kultus; nachher kommt Frncht-
barkeit, Friede und Wohlstand von selbst! „Bedrückung und Rcchts-
brnch treibt Ephraim; denn es beliebt ihm, hinter seinen Götzen her
zulaufen." (6, 11.) In diesem Denn steckt die ganze Logik des
Priesters.
So ist denn schließlich auch die ganze Zukunfts-Weissagung des
Hosea durch diese Priester- und Kultusgedanken bestimmt. Das Volk soll
in die Verbannung wandern, aber nicht in fernes Land, von den Assyrern
verpflanzt, sondern in die benachbarte Wüste, von Jahwe selber geführt.
Tort sind sie fern von den Altären, an denen der abtrünnige Kultus
galt; die Opfer für die „Baale" finden dort ihr natürliches Ende. Dann
wird das Volk sich wieder an die Brautzeit erinnern, an die Zeit der
ersten Liebe, wo es Jahwe in der Wüste fand. Und Liebe und Treue
zu Jahwe werden dann herrschen. Und dann ■— das ist und
Hauptsache des ganzen Gedankenganges —, dann wird Jahwe das
ganze Volk wieder ins Land Kanaan bringen; und Pest und Schwert
und Krieg wird er vernichten, und sie werden in Sicherheit leben ans
Ewigkeit, in Recht und Gerechtigkeit untereinander und in Liebe und
Treue zu Jahwe. (Hosea 2.) Wie die Strafe, so ist auch die Erlösung
völlig phantastisch und ohne Anknüpfung an irgendein wirkliches Er
lebnis gedacht.
Hosea ist der erste, der ein solches Zukunftsgemälde in leuchtenden
Farben gemalt hat. Dem herben Sinn des unerbittlichen Amos hatte
diese versöhnende Schlußperspektive völlig gefehlt. Aber es ist leicht zu
begreifen, daß in einer Masse verzweifelnder und wenig gebildeter
Mensche» gerade diese Zukunftsverheißung am mächtigsten wirken
mußte. Sie entsprach zu sehr den Sehnsüchten der Schwachen, die sich
im wirklichen Leben nicht helfen konnten, und die deshalb einen
Glaubenssatz daraus machten, daß jede Selbsthilfe verpönt sei, daß man
nur hoffen und harren müsse, bis Jahwe die übernatürliche Hilfe und
das übernatürliche Glück endlich herabsenden werde. An sich ist dieser
Gedanke noch keine Verfälschung der proletarischen Instinkte bei Leuten,
die sich im wirklichen Leben nun einmal nicht helfen können. Aber er
wird zur Verfälschung und damit zur Demagogie im üblen Sinne des
Wortes, wenn nun der Priester kommt und die Armen lehrt, der richtige
Kultus sei das einzige, aber auch das absolut sichere Mittel, die Gnade
Gottes und damit die herrliche Zukunft zu gewinnen. Und gerade das
ist die Logik des Hosea gewesen.