Full text: Die Propheten (6)

Er trat aus der Oeffentlichkeit zurück und schrieb seine Erlebnisse und 
seine Lieder in ein Buch zusanimen. Um dieses Buch sammelte er eine 
Gemeinde von Jüngern; die sollten Drohung und Verheißung bewahren 
und sollten harren, bis die Erfüllung käme. „Zusammenbinden will ich 
die Bezeugung, versiegeln die Weisung in meinen Jüngern. Und ich 
will harren ans Jahwe, der sein Antlitz verbirgt vor dem Hause Jakob, 
und auf ihn hoffen." (8,16 und 17.) Die Kreise, die au den Propheten 
glaubten — sehr zahlreich waren sie sicher nicht — fingen an, sich zu 
sammenzuschließen, in aller Stille sich als das wahre Israel, als den 
Kern des Volkes zu betrachten, dem die Verheißung gilt, daß ein Rest 
gerettet wird. Hoffen und Harren ist ihre Grundstimmung und das 
Seufzen darüber, daß Jahwe im Augenblick sein Antlitz verborgen hat. 
Aber sie trösten sich au dein Buch — und sicher nicht nur an dem Buch 
des Jesaja allein. Der Keim einer Gemeinde und einer Sammlung 
Heiliger Schriften ist hier gegeben. 
Nach dieser entscheidendeil Woche mit ihrer neuen Erkenntnis und 
ihrer jähen Enttäuschiulg hat Jesaja ein Menschenalter nichts Neues 
zu sagen gewußt, und wir kenneil fein bestimmt datierbares Gedicht 
oder Auftreten von ihm aus dieser Zeit. Das Verderben, das seit 
vierzig Jahren verkündet war, brach in den Jähren 726 bis 722 über 
Israel wirklich herein. Die Assyrer zerstörten nach dreijähriger Be 
lagerung die Hauptstadt Samaria, führten deil Hof, den Adel und die 
Bewohner der Residenz in unbekannte Gegenden fort und siedelten in 
den Landstädten neben den übrig gebliebenen israelitischen Bauern 
Kolonisten aus den östlichsten Teileil ihres Reiches an. Staat, Nation 
und Religion der Israeliten war damit zerstört. Was übrig blieb, war 
eine Mischung israelitischer und assyrischer Demente niedrigster 
Bildung. Land und Volk wurden in Zukunft nach der Hauptstadt 
Samaria genannt. Mit der israelitischen Geschichte haben die Sama 
riter nichts mehr zu tun. 
Trotz solch erschütternder Katastrophen aber haben wir aus dieser 
Zeit weder von Jesaja, noch von einem anderen Dichter auch mw ein 
einziges Wort. 
Auch Juda wurde mehrfach voll ben Assyrern überschwemmt. 
Kriegszüge oder Friedenstribute lagen schwer auf dem ausgesogenen 
Ländchen. Mit seinem Wohlstand und seiner Blüte war es vorbei, wenn 
auch seine staatliche Existenz sich notdürftig erhielt. Schwer lastete die 
Hand der Assyrer auf ganz Vorderasien. Um deil Druck zu beseitigen, 
haben Juda und seine Nachbarvölker mehrfach versucht, mit Aegyptens 
Hilfe wenigstens beit Assyrer sich wieder vom Halse zil schaffen. In 
einem solchen Freiheitskrieg trat nach dreißigjähriger Pause noch 
einmal Jesaja als Warner lind Dichter auf. 
Natürlich warf er sich dem Bündnis mit Aegypten leidenschaftlich 
entgegen. Wieder kannte er nur die eine Parole, daß „nicht Roß, nicht 
Reisige" Israel schützen könnten, sondern nur der Heilige Gott. „Durch 
Stillesein lind Hoffen würdet ihr stark sein" (31, 1—3; 30, 8—17). 
Wieder sagte er die Vernichtung Judas und den Sieg der Assyrer vor 
aus. Uird wieder versiegelte er, als sie doch nicht eintrat, seine Weis 
sagung in einem Buche (30, 8). Daun aber zeigt seine Haltung dieselbe 
charakteristische Wendung wie 30 Jahre zuvor: angesichts der furchtbaren 
Nähe des wirklichen Endes sprang er wieder ins Gegenteil, in die 
Siegesweissagung um. 
Die Assyrer hatten ganz Juda durchzogen, die Dörfer geplündert, 
die Menschen als ihre Untertanen in Eid und Pflicht gcnonlmen (701 vor
	        
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