Full text: Die Propheten (6)

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seines Volkes gestanden. Einen Erfolg hat er in seinem ganzen Leben 
nicht gesehen. Sein Anfang war eine Wiederholung der Gedanken, die 
wir aus Hosea und Jesaja kennen: Klagen über die Baalsdienste und 
über die Rechtlosigkeit und Gewalttat im Volk. Sein Fortgang war 
Kampf gegen die, die mit der Knltusreform alles getan glaubten und' 
nun ans Jahwes Segen pochen wollten. Sein Ende war heißes Be 
mühen, die Unterwerfung unter die Babylonier den Freiheitsräsenden 
einleuchtend zu machen als das einzige Mittel, den Bestand der Nation 
und des Tempels zu sichern. Zwanzig Jahre hat er vom Untergang 
dogmatisch geredet. Und als dieser in furchtbarer Wirklichkeit näher 
kam, bat er wieder fast 20 Jahre mit sehendem Auge das Volk gewarnt, 
sich nicht dem Freiheitstaumel zu überlassen. Klüger und standhafter 
als Jesaja, hat er bis zur letzten Minute gesagt, das; gerade ans dem 
Wege, den jeuer zuletzt eingeschlagen hatte, der Untergang nur uni so 
sicherer erfolgen müsse. 
Er hat die Vereinzelung, in der er staub, und die Not ewig erfolg 
loser Predigt gefühlt wie kein Zweiter im ganzen Alten Testament. 
„Verflucht der Tag, der mich geboren! Warum nur mußte ich kommen 
aus Mutterschoße, Mühsal ltnb Leid zu sehen, in Schmach zu enden! 
(20, 14—18.) Ich kann's nicht mehr aushalten, kann's nicht ertragen; 
denn viele hörte ich gegen mich zischeln! (20, 9—10.) Unheilbar ist 
mein Kummer, das Herz ist krank mir. O, daß mein Haupt und Auge 
in Tränen zerflösse, um Tag und Nacht zu beweinen des Volkes Durch 
bohrte. (8, 18—22.) Dir locktest mich; ich ließ mich locken (zu Jahwe 
gesagt). Du ergriffst mich und siegtest. Und nun werd' ich verlacht 
beständig, mein spotten alle. Red' ich, so muß ich „Unbill und Gewalttat" 
schreien. Und doch trägt beständig mein Reden mir Schimpf und Hohn 
ein. Doch dacht' ich, es aufzugeben, nicht mehr zu reden, so war's wie 
ein glühend Feuer, ein Brand im Gebein." (20, 7—9.) Trotz Erfolg 
losigkeit und Verfolgung treibt ihn die innere Glut, immer wieder; zu 
reden, brennt das unterdrückte Wort wie Feuer in seinem Innern. Das 
ist das Ueberwältigtsein von der Wucht großer Gefühle, das in der 
ganzen Entwickelung der Religion ihre sicherste Realität und ihr blei 
bendes Wesen ist. 
In der Zeit des heißesten Kanrpfes hat er seinem Volk als Ver 
räter und als Ueberläufer zu den Babyloniern gegolten. Mit Halseisen 
mrd Stock, mit Gefangenschaft und Verhungern haben sie ihn gestraft. 
Und von ihrem Standpunkt aus ganz mit Recht! „Dieser Mann sollte 
getötet werden; denn er macht ja die Hände der Kriegsleute schlaff, die 
noch in der Stadt sind, und die Hände der ganzen Bevölkerung, wenn 
er solche Worte zu ihnen redet. Dieser Mann sinntnicht auf Wohl für 
das Volk, sondern auf Unheil." (Jcremia 38, I.) Eine kämpfende 
Festung kann eben keinen Jeremia in ihrer Mitte ertragen. Aber ebenso 
sicher ist, daß die Geschichte in diesem Falle dem Propheten und nicht 
den von Priestern fanatisierten Soldaten recht gab. 
Das Ende seines Lebens war dunkel und ohne Hoffnung. Jene 
nach Aegypten flüchtenden Scharen zwangen ihn und seinen Freund 
Barnch. mit ihnen zu gehen — gegen seinen Willen, und doch ohne 
auf seine Stimme zu hören. Jenes Wort über die Rückkehr zur 
Himmelskönigin ist an ihn gerichtet. Es zeigt, daß er auch in den 
letzten Jähren auf seine Umgebung-ganz ohne Einfluß blieb. 
Am Ende des Buches des Baruch steht ein Wort, das Jcremia 
ihm persönlich als Trost und Stärkung gesagt hat. Auf Baruchs Klage, 
daß all sein (Baruchs) Leben nur Leid sei und Stöhnen, hat der Pro-
	        
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