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ihres ganzen Geschlechts in unzähligen Fällen noch ähnlicher
als die erwachsenen. Der Frosch ähnelt als Kaulquappe
noch dein Fisch, der mit Kiemen im Wasser atmet. Eine
ganze Masse höherer Tiere durchlaufen im Ei oder Mutter-
leibe noch einmal Formen, die wir auf niederer, älterer Stufe
wiederfinden. Der Vogel im Ei zeigt noch einmal die
Masse Schwanzwirbel, die der ausgestorbene Eidechsenvogel
Archäopteryx, der den Uebergang zwischen Eidechsen und Vögeln
vor Jahrmillonen vermittelt hat, einst besessen hat. Meckel
hat diese eigenartige Tatsache, die, wie gesagt, in einer er
drückenden Masse von Beispielen wiederkehrt und sicherlich
auf einen allgemeinen, gesetzmäßigen Zusammenhang deutet,
das „biogenetische Grundgesetz" genannt, ein Wort, das
heute schon ziemlich populär geworden ist. Nun also: schon
den ersten Beobachtern ist aufgefallen, daß der Gorilla, der
Schimpanse, der Orang-Utan dem Menschen um so ähnlicher
erscheinen, je jünger sie sind. Als Kind erinnert der riesige
Gorilla, der im Alter von allen Menschenaffen am fremd-
artigsten und bestialischsten aussieht, so auffällig au ein
Menschenkind, daß selbst der Laie, der nie über diese Dinge
nachgedacht hat, davon überrascht wird. Im Sinne jenes
Gesetzes würde das aber geradezu besagen: diese Menschen
affen hatten einen Vorfahren in ihrem Stammbaum, der
noch menschenähnlicher war, als sie selber es heute sind.
Dieser Sache setzt nun die Krone auf, was der hochverdiente
Forscher Emil Selenka ganz neuerdings vom Gibbon fest
gestellt hat. Der junge, noch nicht geborene Gibbon im
Mutterleibe zeigt zuerst noch völlig wohlproportionierte Arme,
als sollte ein Menschenkind aus ihm werden, und erst nach
und nach wachsen sich die Arme des Aeffchens zu den enormen
Akrvbatcnhaken aus. Hier Hütten wir also, wenn das Gesetz
stimmt, den ganz exakten Beweis, daß die Vorfahren des
heutigen Gibbon ebenfalls noch nicht die Akrobatenarme be
sessen haben, also entschieden noch ein ganzes Teil menschen
ähnlicher waren.
So drängt uns alles vereint auf den Satz, der schon
Darwin vorschwebte, als er vor über dreißig Jahren zum
erstenmal versuchsweise diese Dinge erörterte. Es hat ein
mal eine Sängetierart auf der Erde gegeben, in der steckte
nicht blos damals der „Mensch", sondern es steckten darin
auch Gorilla, Schimpanse, Orang-Utan und Gibbon. Sie alle
sind nachher aus ihr hervorgegangen, wie ungleiche Söhne
des gleichen Vaters. Jedenfalls stand im ganzen dieses
Wesen damals den heutigen Menschenaffen näher als dem