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BAUENTWICKLUNG UND BAUBESCHREIBUNG
I m Kampfe um clie Plangenehmigung spielen die
Verkehrsprobleme kommender Jahrzehnte eine
ebenso große Rolle wie die Intensität der Platzaus
nützung nach Tiefe und Höhe. Um dem steigenden
Verkehr Rechnung zu tragen, eine gute Massen
gruppierung zu erzielen, um gegen den Zwischenbau
einen weiteren, wertvollen Eckladen zu erhalten,
wurde der ganze Ostflügel um 4 m zurückgesetzt.
Als dann im Sommer 1925 über die Baupläne eine
Einigung erzielt war, verzögerte den Baubeginn
nochmals ein dreimonatiger Bauarbeiterstreik. Mit
dessen Beendigung hieß es: „Volldampf voraus“,
und nun wurde in wenigen Monaten die Kulisse
des Ostflügels geschaffen; währenddessen wurde der
anschließende Zwischenbau an das Münchener Hof
bräuamt vermietet, mit neuzeitlichen, wirtschaft
lichen Anlagen, Kegelbahnen, Bierkeller und Kühl
anlagen ausgestattet und beschleunigt fertiggestellt.
Der zwischen Ostflügel und dem Hofbräu-Restau
rant sich ergebende Rückplatz fand das Interesse
einer deutsch-amerikanischen Filmgesellschaft, nach
deren Wünschen das „Phoebus-Lichtspieltheater“ er
stellt und ausgestattet wurde. Eine 9 m breite, mit
schwarzen und roten Kacheln bekleidete Vorhalle
führt durch einen großzügigen Umgang mit Gar
derobenanlagen in das in Silber- und Orangeton ge
haltene Theater. Ein großer Lichtstern an der Decke
und eine in verschiedenen Farben spielende in
direkte Beleuchtung, sowie eine umfangreiche
Scheinwerferanlage ermöglichen die gewünschten
Lichteffekte. Die Bühne wird durch elektrisch be
wegte Seidenvorhänge geschlossen; ihre technische
Einrichtung ermöglicht abendfüllende Varietevor-
stellungen.
Das in Rot, Weiß und Gold gehaltene, fast 5000
Personen fassende Cafe erstreckt sich durch ein
Erdgeschoß, ein Zwischengeschoß und auf eine
Länge von 120 m über den ersten Stock des West-
flügels. Um einen 10 m hohen Hauptraum, in den
als dekoratives Moment die Treppe, eine Orchester
loge und die Galerien eingebaut sind, gruppieren
sich die Räume für das Publikum. An das Zwischen
geschoß anschließend liegen die ausgedehnten, zen
tral gelegenen Wirtschaftsräume, die auch das Erd
geschoß und das erste Geschoß zu bedienen haben.
Im Keller sind große Vorratsräume, Eismaschinen
und Kühlanlagen in solchem Ausmaße, daß auch
der größte Stoßverkehr bewältigt werden kann.
Zwei ansehnliche Tanzflächen im ersten Obergeschoß
üben nachmittags und abends ihre besondere Zug
kraft auf das bewegungsbedürftige, jüngere Publi
kum aus. Außer diesem großen Cafe befindet sich
an der Ecke Stresemann- und Anhaltstraße für den
Passanten verkehr eine 200 Personen fassende Mokka-
Expreß-Stube, die von früh 7 Uhr bis morgens
3 Uhr in Betrieb ist. In den dort arbeitenden Ex
preßmaschinen wird durch Dampfdruck dem in
Kapseln eingeschlossenen Kaffee sein Gehalt in
wenigen Sekunden nahezu restlos extrahiert. Dieser
wöchentlich 140 Stunden geöffnete Betrieb ergi bt
wirtschaftlich natürlich ein wesentlich besseres Re
sultat als die gleiche Fläche als Laden, der wöchent
lich nur 60 Stunden geöffnet wäre.
Den Abschluß des „Europa-Hauses“ gegen das
Völkerkunde-Museum bildet ein Ladenbau mit
einem darüberliegenclen gerundeten Tanzpavillon
von 400 qm Grundfläche und — einschließlich Gale
rie — 10 m Höhe. Ein breites Vestibül mit Spiegel
wänden und roten Plüschsofas führt zur halbrunden,
in die Gesellschaftsräume einbezogenen Treppe und
zu einer gemütlichen, in dunklem Hartholz bis zur
Decke getäfelten Bar. Der Tanzraum selbst ist in
Goldorange mit Silberornamenten gehalten, die Mö
bel sind aus Mahagoni mit marineblauer Seiden
polsterung. Die Galerie wird nicht durch Säulen
gestützt, sondern ist durch Stahlträger, die als Licht
pfeiler ausgebildet sind, an der Deckenkonstruktion
aufgehängt, so daß der Blick von den Tischen aus
zur Tanzfläche in keiner Weise behindert wird. Ein
an die Galerie des Tanzhauses anschließender Schön
heitssalon hat bei der Damenwelt sehr viel Anklang
gefunden und wird, wie in Amerika, bei den grö
ßeren Bauanlagen der Zukunft zu den Programm
punkten gehören.
Der Hochhausbau, dieser Repräsentant einer
neuen Epoche, erhielt ein Tiefgeschoß von durch
schnittlich 5,00 m Höhe, um in späteren Jahren für
einen Grillroom, ein Kabarett oder andere Zwecke
mit größerem Besuch Verwendung finden zu können;
das Erdgeschoß wurde für den ganzen Block mit
einer Flöhe von 6 m festgesetzt, um in den Läden
Galerieeinbauten zu ermöglichen. Das erste Stock
werk erhielt eine Höhe von 4,50 m, um für Aus
stellungsräume, Sitzungssäle, Klubräume usw. aus
zureichen, und um für die im ersten Stock liegenden
Caferäume die genügende Höhe zu haben.
Die in der Mitte des Hochhauses befindliche, mit
den Nischen 800 qm große und i I m hohe Aus
stellungshalle empfängt ihr Licht durch ein großes
doppeltes Oberlichtdach, dessen obere Decke mit
Drahtglas, die von unten sichtbare Staubdecke mit