schön gewachsen; sie stand mit ihren neunzehn Jahren
im Beginn der ersten Reife; Gwendoline, die kaum
achtzehn zählte, war ebenso groß, aber noch recht
mager. Ingrid hänselte sie damit, daß sie ,Salz
näpfchen' hatte: eben jetzt, indem die Schwester die
Arme hob, sah sie's im Spiegel.
„Nein, was bist du für ein unausstehlicher Back
fisch!" rief Gwendoline lachend und wandte sich im
Spiegel der Ältesten zu: „Ati — sprich doch mal ein
Machtwort und jag den vorlauten Hemdenmatz vom
Trapez herunter!"
Beate seufzte. „Ach — immer so früh schon macht
ihr Spektakel."
Ihren etwas leidenden Ton ahmte Ingrid mit
verblüffender Treffsicherheit nach. „Ach — und die
Ati — immer erst zwei Stunden nach dem Lever
wacht sie auf!"
Es klopfte. „Siehst du — der Papa!" sagte Beate
und starrte entschlußlos ihr Spiegelbild an.
Mit einem Satz war Ingrid vom Trapez und saß auf
ihrem Bett, um in größter Eile die Strümpfe anzuziehen.
Gwendoline war auf die Korridortür losgegangen.
„Anna, sind Sie's?"
„Hier Neumann!" meldete der Bursche draußen.
„Ha — ein Mann!" rief Ingrid und streckte in
parodistischem Entsetzen die nackten Kochlöffelarme von
sich, einen Strumpf in der Rechten schwingend.
Gwendoline konnte über die Tollheiten der Jüng
sten sonst so herzlich lachen. Jetzt wehrte sie ihr aber
ungeduldig und legte die Hand auf die Türklinke.
„Was gibt's, Neumann? Wo ist denn die Anna?"
„Die Fräulein Anna is nach die Belle-Allianee-
Straße bei die Friseuse, gnä' Fräulein, Nadeln einholen."