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heirateten Frauen aus den Listen der unterstützungsberechtigten
Erwerbslosen; auch wird eine Verschlechterung der Ver
sicherung für Saison- und Bauarbeiter, Gartenarbeiter und
Hafenarbeiter vorgenommen (für sie werden die Krisenfürsorge
sätze herabgesetzt, und sie werden die Krisenfürsorge nur noch
20 Wochen, statt wie bisher 26 Wochen, erhalten); die Warte
zeit wird durch die Notverordnung von drei auf sieben Tage
für Erwerbslose mit zahlreicher Familie und von zwei auf drei
Wochen für Alleinstehende verlängert. Außerdem können
Erwerbslose auf Grund der neuen Verordnung in stärkerem
Grade als bisher zwangsweise auf Arbeit geschickt werden.
Diese Verordnung richtet sich nicht nur gegen die Erwerbslosen,
sondern verschlechtert auch die Lage der noch im Betrieb
stehenden Angestellten und Arbeiter. Für die noch im Betrieb
Stehenden sieht die Verordnung einen Lohnabbau von 4 bis
7 Prozent für die Staats-, Gemeindebeamten und -arbeiter vor
sowie die Einführung einer auf lVn Jahre (vom 1. Juli 1931 bis
31. Dezember 1932) zu erhebenden, zynisch offenen Klassen
charakter tragenden Krisensteuer, die sich auf alle Lohn
empfänger und Einkommensteuerpflichtigen erstreckt.
Die Verteilung der Lasten dieser Krisensteuer auf die
besitzenden bzw. besitzlosen Klassen ist folgende:
Steuerpflichtiges für Gutsbesitzer
Jahreseinkommen und Großbauern
bis {in M.J (M.)
für Groß- und Klein-
Bourgeoisie
(M.)
2 000 — 13,35
5 000 — 42,80
7 500 11,25 101,70
10 000 40,— 139,20
für Arbeiter u.
Angestellte
(M.)
25
100
250
350 u sw.
Diese Krisensteuer soll 775 Millionen Mark einbringen.
Ein krasseres und offeneres Beispiel von Heuchlertum und
Gaunerei der deutschen Sozialdemokratischen Partei (die Sozial
demokraten der anderen Länder sind selbstverständlich nicht
besser) läßt sich schwerlich finden: Im Juni faßte sie — die
Sozialdemokratische Partei — auf ihrem Parteitag „revolutio
näre“ Resolutionen und zur gleichen Zeit gibt sie Brüning ihre
Zustimmung zur Durchführung der gegen die Arbeiter und
Angestellten gerichteten Notverordnung. Die „linken“ Sozial
demokraten, die vor dem Parteitag und auf demselben in
„oppositionellen“ Reden machten, stimmten für alle Resolutionen
zusammen mit der Parteitagsmehrheit und den Drahtziehern
der sozialdemokratischen Führung, obwohl sie über den Inhalt
der bevorstehenden Brüningschen Notverordnung genau im
Bilde waren.
Hätte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands den
Erlaß dieser Notverordnung, sei es auch nur auf parlamen
tarischem Wege, zu erschweren vermocht? Ganz gewiß! Und
zwar allein schon deshalb, weil die Sozialdemokratische Partei
und die Kommunistische Partei Deutschlands seit dem Auszug
der Nationalsozialisten und der ihnen verwandten Gruppierungen
aus dem Reichstag ln diesem die Mehrheit hatten.