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und Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei in zahlreichen
Landesversicherungsausschüssen für die Herabsetzung der
Erwerbslosenunterstützung, von der in dem Kapitel über die
Erwerbslosenversicherung in Oesterreich die Rede war,
stimmten. Lediglich in Wien, wo die Sozialdemokratie alle
Trümpfe in ihrer Hand hat, stimmten die Vertreter der
Gewerkschaften in dem paritätischen Industrieausschuß gegen
die Verschlechterung der Erwerbslosenversicherung, und damit
verlor die Kommission ihre Befugnis zur Entscheidung der
Frage über die Verschlechterung der Versicherung. Damals
wurde von der Regierung, anscheinend nicht ohne Zustim
mung der Wiener Sozialdemokraten, ein Kommissar eingesetzt,
der zusammen mit den Vertretern der Arbeitnehmer ab
1. März 1931 alle von der Reg.erung vorgesehenen Verschlech
terungen einführte. Die Sozialdemokratische Partei hat dabei
natürlich in keiner Weise dagegen gekämpft, obwohl sie in Wien
die herrschende Partei ist. Mehr noch, die Vertreter der Gewerk
schaften kehrten, nachdem die Verschlechterung vorgenommen
war, m den paritätischen Ausschuß zurück, als ob nichts vorge-
fallen wäre. Auch in Oesterreich ließen es sich die Gewerk
schaften nicht entgehen, mit der Anwendung energischer Maß
nahmen gegeii die Verschlechterung der Erwerbslosenversiche
rung zu „drohen“: Auf der Konferenz der Gewerkschaftsver
treter Oesterreichs wurde ein Beschluß gefaßt, „mit allen parla
mentarischen und außerparlamentarischen Mitteln die Durchfüh
rung dieses Gesetzes — das die Erwerbslosenversicherung ver
schlechtert — zu verhindern“. Als aber das bestehende Ge
setz tatsächlich verschlechtert wurde, haben sie nicht nur keinen
Finger gerührt, um diese Verschlechterung zu verhindern, son
dern die Gewerkschaftsvertreter haben ebenfalls für die Ver
schlechterung gestimmt
Die tschechischen und die deutschen Sozialdemokraten der
Tschechoslowakei gehören der Koalitionsregierung an
Der Fürsorgeminister Tschech. ein Mitglied der deutschen
Sozialdemokratischen Partei in der Tschechoslowakei und beide
sozialdemokratischen Parlamentsfraktionen haben gegen den
Antrag der kommunistischen Parlamentsfraktion auf die Er
setzung des Genter Systems durch die staatliche Erwerbsloseu-
versicherung auf Kosten der Unternehmer und des Staates ge
sprochen und gestimmt
Auf Antrag des Ernährungsministers, des Sozialdemokraten
Bechyne, und mit den Stimmen der Sozialdemokratie wurde be
schlossen, die Erwerbslosenunterstützung die in Naturalform,
(Suppenküchen und Brotausgabe) gewährt wurde, abzubauen
und auch die Notstandsarbeiten um 20 Prozent zu verringern.
Die Regierung hat im Einverständnis mit der Sozialdemo
kratischen Partei aus den Gemeindeetats sämtliche Ausgaben
posten gestrichen, die für die Unterstützung der Erwerbslosen
und für die Organisierung von Notstandsarbeiten vorgesehen
waren. Alle diese gegen die Erwerbslosen gerichteten Maß
nahmen haben die sozialdemokratische Presse und ihre Agita
toren (die Sozialdemokraten haben in der gleichen Weise sämt
liche Streiks verraten) nicht daran gehindert, sich als Vertreter
der Interessen der Werktätigen aufzuspielen.
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