1828
HELDENEPEN: DER TROISCHE KREIS.
Tempelbezirk begraben lag und heroische Ehren genoß. 1 ) Das
widersprach der durch das Epos und noch mehr durch das
Drama eingebürgerten Vorstellung, daß Iphigeneia bei ihrer
Opferung in Aulis ins Taurerland entrückt und dort zur Göttin
geworden sei. 1 2 ) Aber zu einem Ausgleich konnte der Umstand
eine Handhabe bieten, daß die Brauronische Artemis den Bei
namen Ta.vQ07T.6XoQ (Kurzform Tavgw), die „Stiertummlerin“
führte, der an den Kamen der Taurer anklang. So konnte
man beide Vorstellungen dadurch miteinander in Einklang
bringen, daß man erzählte, Iphigeneia sei bei den Taurern
nicht Göttin, sondern Priesterin geworden und mit dem dorti
gen Kultbild nach Brauron entflohen, dessen Kamen man
nun unrichtig als „die taurische“ deutete. Ob dieser Aus
gleich schon in Brauron aulgekommen oder erst von dem Tra
giker ersonnen ist, läßt sich nicht entscheiden. Jedenfalls
aber ist die Eolle, die dabei Orestes spielt, die freie Erfindung
des Euripides. Er knüpft hierbei abermals an die Eumeniden
des Aischylos an, nur daß er, wie bereits oben S.1326 bemerkt,
von der Entsühnung des Orestes in Delphoi absieht. Wie es
ihn die Dioskuren in der Elektra geheißen haben, hat er
sich, von den Erinyen verfolgt, so schnell wie möglich zu
richterlicher Entscheidung nach Athen begeben, nur daß es
diesmal Apollon war, der den Befehl erteilte. 3 ) Aber nach
der Freisprechung siedelt er nicht, wie es in der Elektra ver
kündet wird, nach der Parrhasia über, sondern wird von
Apollon ins Land der Taurer geschickt. Das begründet der
Dichter folgendermaßen. Mit dem Spruch der Eumeniden
hat sich nur die eine Hälfte der Erinyen zufrieden gegeben
und den Kultsitz am Areopag bezogen 4 ), die andere fuhr fort,
ihn zu hetzen und zu peinigen. 5 ) So flüchtet er sich zum delphi
schen Heiligtum, wo er, ermattet vom Lauf und vom Hunger,
1) T. T. 1462ff. prophezeit ihr Athena: ae ö’ ä/xqji asfxvdg, ’lipiyheia,
xXifiaxag BgavQcovzag öel xfjaÖE xXrjSovxElv &Eäg' ob Kai rE&dyiei Kaxdavovaa,
Kai TiBiiXojv äyaX/xd aoi {hqaovaiv EÜnrjvovg vtpdg, äg äv ywaixeg iv xoxoig yrvyog-
Qayslg Xinzoa’ ev dixoig.
2) Daher nannte Euphorien das Grab in Brauron kevx/qiov Tzpzyevelag>
s. oben S. 1099 A. 2.
3) V. 940ff. ETZEL xd nrjXQÖg xctW ä azyw/xev mxä eig yelgag xjX&e, /tsra-
ögofxaig 'Eqlvvoov rjXavvoßEada ipvydÖEg, eox' i/xov noäa Etg xdg ’A&ijvag öfjx’
exiefiyjB Aoljcag, äzKrjV TtagadyElv xalg ävcovv/xoig d-ealg.
4) V. 9G8ff. daai /liv oiv eCovxo neiad'elaai äixt], yifjipov nag avxr/v iegdv
cbgiaavx’ e%elv (nach Aisch. Eum. 854f. 892 ff.), oaai (5’ ’Egivvmv ovk exzeia&r]aav
vö/icp, ÖQÖfxoig ävidgvxoiaiv fjXdaxQovv /x’ det y.x/..
5) Das meint Serv. ampl. Aen. IV 473 alii dicunt, quia, cum absolutus
in templo Minervae de iudicio exiref, a juriis conreptus est.